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Spotlight Forschung: Dr. Simone Horstmann zur Initiative „Originalitätsverdacht“ der VolkswagenStiftung

„Das Förderformat passt einfach perfekt zu meinem Projekt“

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Portrait von Dr. Simone Horstmann vor einem Bücherregal. © Privat
Dr. Simone Horstmann ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Systematische Theologie an der Fakultät Humanwissenschaften und Theologie der TU Dortmund.

Dr. Simone Horstmann vom Institut für Katholische Theologie an der Fakultät Humanwissenschaften und Theologie der TU Dortmund forscht im Bereich der Systematischen Theologie, insbesondere zu Fragen der Ethik und Dogmatik im christlichen Glauben. Der Fokus ihrer Arbeit liegt dabei auf dem Umgang mit Tieren in der Theologie. Diesem Thema widmet sie sich auch in ihrem ersten Drittmittelprojekt, das im Rahmen der Initiative „Originalitätsverdacht“ für ein Jahr von der VolkswagenStiftung gefördert wird. Im Interview erklärt Horstmann, inwiefern sie mit ihrer Forschung an die Grenzen ihres Faches stößt und warum das gewählte Förderformat gerade deshalb so gut zu ihrem Projekt passt.

Frau Dr. Horstmann, wozu forschen Sie?

Ich untersuche, welche Stellung Tiere in der Theologie einnehmen. Denn tatsächlich ist es so, dass Tiere in gut 2000 Jahren christlicher Theologie kaum vorkommen – zumindest nicht in den offiziellen Diskursen. In der lehramtlichen Dogmatik ist festgesetzt, dass Tiere keine ewigkeitsfähige Seele besitzen und nicht erlösungsbedürftig sind. Sie sind in der Theologie quasi unsichtbar und damit auch bedeutungslos gemacht worden. Das hat mehrere Konsequenzen: Innerhalb der Kirche muss man sagen, dass dadurch eine Verheißung des Christentums verlorengegangen ist, denn ein Himmel ohne Tiere dürfte für viele Menschen nicht das Paradies darstellen. Gleichzeitig merken wir, dass auch viele scheinbar vollkommen säkulare Phänomene von dieser Bedeutungslosigkeit zehren, zu der die offizielle kirchliche Linie die Tiere verurteilt hat: Die Tierindustrie ist in ihren bekannten – und vielfach abgründigen – Ausmaßen nur möglich, weil sie auf dem erschreckenden Grundkonsens beruht, dass Tiere und ihr Leid ohne Bedeutung sind.

Mit diesen Fragen beschäftigen Sie sich auch in dem von der VolkswagenStiftung geförderten Projekt?

Genau, der Titel meines Forschungsprojekts lautet „Konturen einer Animalogie. Erkundigungen über die Diskursfähigkeit der Theologie im Angesicht der Tiere“. Den Begriff Animalogie habe ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen geprägt. Er setzt sich zusammen aus den lateinischen Wörtern animal, das Tier, und anima, die Seele. Dass diese beiden Begriffe denselben Stamm haben, zeigt, dass Tiere im wörtlichen Sinne eigentlich beseelt sind. Hier stellt sich natürlich die Frage, was „die Seele“ überhaupt ist: Ich verstehe darunter weniger etwas, was einem Lebewesen innewohnt oder nicht innewohnt, sondern vielmehr eine Interaktion zwischen Lebewesen, die als beseelend erfahren werden kann. Eines meiner großen Forschungsziele, dem ich mit diesem Projekt näher kommen möchte, ist es, einen theologischen Traktat zu schreiben – und zwar über Tiere. In der Dogmatik gibt es verschiedene Traktate, gewissermaßen „Unterabteilungen“, in denen der Umgang mit einzelnen Themen festgeschrieben ist – aber bislang keinen über Tiere.

Warum haben Sie sich für das Format „Originalitätsverdacht“ entschieden?

Ich habe mich zunächst allgemein über verschiedene Fördermöglichkeiten informiert. Bei der Förderlinie „Originalitätsverdacht“ hat mich direkt der besondere Titel angesprochen, in dem meiner Meinung nach viel Wahres liegt, denn tatsächlich wirken bestimmte Formen von Neuheit häufig erst einmal verdächtig. Es gibt nicht wenige Theologinnen und Theologen, die der Ansicht sind, dass ich mit meiner Forschung die christliche Tradition korrumpiere. In der Tat gehe ich mit dem Thema Tiere in der Theologie an die Grenzen meines Fachs – und deshalb passt auch das Förderformat so gut: Mit der Initiative „Originalitätsverdacht“ möchte die VolkswagenStiftung originelle und innovative Forschungsprojekte in den Geisteswissenschaften fördern. Zugegebenermaßen ist Forschung in den Geisteswissenschaften nicht immer von Grund auf neu und ich hätte bei einigen Projekten auch Vorbehalte, das zu behaupten, bei meinem jetzigen Projekt passt es allerdings perfekt. Auch dass die Forschung in der Förderlinie „Originalitätsverdacht“ explorativen Charakter haben soll, ist bei meinem Thema gegeben. An dem Format hat mir zudem gut gefallen, dass explizit Forschende aus den Geisteswissenschaften unterstützt werden und die Begutachtungszeit mit sechs Monaten vergleichsweise kurz ist.

 

Zur Person:

  • 2004-2010 Studium der Katholischen Theologie, Germanistik, Philosophie und Pädagogik an der Ruhr-Universität Bochum und der Fernuniversität Hagen
  • 2010-2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Moraltheologie der Ruhr-Universität Bochum
  • 2013-2014 Referendariat, Studienseminar Dortmund, Sek. II
  • 2014 Promotion an der TU Dortmund zum Thema „Ethik der Normalität. Zur Evolution moralischer Semantik in der Moderne“, ausgezeichnet mit dem Dissertationspreis der TU Dortmund
  • seit 2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Systematische Theologie an der Fakultät Humanwissenschaften und Theologie der TU Dortmund
  • seit 2018 Zweite Vorsitzende des Instituts für Theologische Zoologie in Münster
  • 2019-2020 Arbeit an dem von der VolkswagenStiftung geförderten Projekt „Konturen einer Animalogie. Erkundigungen über die Diskursfähigkeit der Theologie im Angesicht der Tiere“

 

Weitere Informationen:
Förderlinie Orginalitätsverdacht der VolkswagenStiftung
VolkswagenStiftung
Stiftungen als Fördergeber

 

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