Neuartige atmende Flüssigkeiten entwickelt
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Schon seit über 200 Jahren ist bekannt, dass die Gaslöslichkeit in Flüssigkeiten mit zunehmendem Gasdruck linear steigt. Die Natur liefert jedoch ein eindrucksvolles Beispiel für eine Flüssigkeit mit einer stufenförmigen Gassättigungskurve: Blut. Aufgrund einer kooperativen Strukturumwandlung des Hämoglobins während der Sauerstoffbindung zeigt sich die Sauerstoffsättigung des Bluts als eine charakteristische sigmoidale – also s-förmige – Kurve in Abhängigkeit vom Sauerstoffpartialdruck. Durch die sigmoidale Form der Sauerstoffsättigungskurve erfordert die Aufnahme bzw. Abgabe von Sauerstoff im Blut nur eine geringe Änderung des Sauerstoffpartialdrucks. Das ist wichtig für einen effizienten Sauerstofftransport von den Atmungsorganen zu den Geweben und Organen – und ist damit ein Schlüsselfaktor für den Stoffwechsel fast aller Wirbeltiere.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Sebastian Henke hat nun atmende poröse Flüssigkeiten synthetisiert, die eine sigmoidale Gassättigungskurve ähnlich der von Blut aufweisen. Im Fokus der Forscher standen hier allerdings nicht der Sauerstoff, sondern Kohlenstoffdioxid sowie gasförmige Kohlenwasserstoffe, die für die Herstellung von Kunststoffen relevant sind. Bei den von Dr. Athanasios Koutsianos entwickelten porösen Flüssigkeiten handelt es sich um kolloidale Lösungen von MOF-Partikeln (MOF = Metal-Organic Framework) in einem Silikonöl. MOFs sind Materialien, die modular aus anorganischen und organischen Bausteinen aufgebaut sind und Poren im Nanometerbereich aufweisen. Durch die Möglichkeit, die Form und Größe der Hohlräume durch Wahl der Bausteine variabel einzustellen, sind MOFs für Anwendungen in der Energiespeicherung, Gastrennung, Ionenleitung und Katalyse interessant.

Energetisch effizienter als konventionelle Adsorptionsmittel
Die von der Arbeitsgruppe Henke eingesetzten MOF-Partikel besitzen sehr enge Poren, die Moleküle des Silikonöls nicht durchdringen können, wohl aber kleinere Gasmoleküle wie CO2. „Der Trick ist, dass die MOF-Partikel bei einem spezifischen Gasdruck in eine expandierte Form umschalten, die deutlich mehr Gasmoleküle aufnehmen kann als die ursprüngliche Form. Dieses Umschalten der MOF-Partikel in Abhängigkeit vom äußeren Gasdruck führt zu einer sigmoidalen Gassättigungskurve der porösen Flüssigkeiten“, erklärt Prof. Sebastian Henke. Somit können die in der kolloidalen Lösung adsorbierten Gase durch eine kleine Änderung des Gasdrucks oder eine geringe Temperaturerhöhung freigesetzt werden, wodurch diese Systeme potenziell energetisch effizienter sind als herkömmliche Adsorptionsmittel. Wie der Mechanismus der Gasadsorption in den porösen Flüssigkeiten funktioniert, untersuchten die Chemiker gemeinsam mit TU-Physikern mithilfe hochenergetischer Röntgenstrahlung.
„In zukünftigen Arbeiten wollen wir nun die technologische Effizienz der neuartigen atmenden Flüssigkeiten für Anwendungen in der Gasreinigung oder der Kohlenstoffdioxidabtrennung evaluieren“, sagt Prof. Sebastian Henke.
Das Forschungsprojekt wurde durch die VolkswagenStiftung im Rahmen der Initiative Experiment! gefördert.
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