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TIMS-Studie

„Grundschüler*innen sind in Mathematik genauso gut wie vor Corona“

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Portrait eines Mannes © Roland Baege​/​TU Dortmund
Christoph Selter ist Professor am Institut für Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts.
Deutsche Grundschüler*innen liegen mit ihren mathematischen Leistungen im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Große Abstürze gab es zwar nicht, dennoch fehlen vielen Kindern die mathematischen Grundlagen. So lautet das Ergebnis der aktuellen TIMS-Studie, die am 4. Dezember vorgestellt wurde. An der alle vier Jahre vorgelegten Erhebung ist Prof. Christoph Selter vom Institut für Entwicklung und Erforschung des Mathematikunterrichts (IEEM) der TU Dortmund maßgeblich beteiligt: Er verantwortet die Teilstudie zur Mathematik in Deutschland.

Die Studie mit dem vollen Namen „Trends in International Mathematics and Science Study“ wird seit 1995 durchgeführt; Deutschland ist seit 2007 dabei. Seitdem wirkt auch Prof. Christoph Selter mit – in diesem Jahr gemeinsam mit seinem Kollegen JProf. Daniel Walter vom IEEM. An der aktuellen Erhebung TIMSS 2023 beteiligten sich insgesamt 58 Länder; darunter 22 EU- und 29 OECD-Staaten. Rund 360.000 Schüler*innen der vierten Jahrgangsstufe nahmen weltweit teil. In Deutschland waren es 4.442 Viertklässler*innen an 230 Schulen.

Herr Selter, was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erkenntnisse aus der aktuellen Studie im Bereich Mathematik? Was hat Sie überrascht? Was sollte uns alarmieren?

Prof. Christoph Selter: Dass die Leistungen gehalten wurden, ist tatsächlich überraschend: Die Grundschüler*innen in Deutschland sind in Mathematik genauso gut wie vor der Corona-Pandemie. Da alle Kinder, die für die aktuelle Erhebung im Frühjahr 2023 getestet wurden, während ihrer ersten beiden Schuljahre von Corona-Maßnahmen betroffen waren, hätte man erwarten können, dass die Ergebnisse sich verschlechtern. Das hat nicht nur mich positiv überrascht. Negativ ist jedoch, dass seit 2007 kein Aufwärtstrend zu erkennen ist. Es gelingt den meisten Ländern im internationalen Vergleich, sich über die Zeit zu verbessern, während die Leistungen bei uns konstant bleiben.

Wirklich alarmierend finde ich nach wie vor die Ergebnisse der Extremgruppen: Wir haben in Deutschland mit rund einem Viertel der Getesteten viel zu viele Kinder in den untersten beiden Kompetenzstufen. Diese Schüler*innen haben allenfalls elementares mathematisches Wissen und können nur einfachste Aufgaben lösen. Das ist in der Mathematik extrem problematisch, denn wer die Grundlagen nicht beherrscht, wird auch in der weiterführenden Schule Probleme haben. Aber auch in der Spitzengruppe ist der Anteil der Kinder, die diese erreichen, besorgniserregend klein: Er ist zwar von 6 auf 8,3 Prozent gestiegen, aber im internationalen Vergleich noch immer sehr niedrig. Das bedeutet, dass in Deutschland die Potenziale der Grundschüler*innen nicht ausreichend gehoben werden.

Was folgt daraus? Was muss Ihrer Ansicht nach getan werden?

Wir müssen einerseits Lehrkräfte darin unterstützen, Angebote für leistungsstarke Schüler*innen zu machen, um diese besser zu fördern. In Singapur erreicht knapp die Hälfte der Kinder die Spitzengruppe. Das kann nicht unser Ziel sein, da wir eine ganz andere Schulkultur leben. Aber dennoch gibt es auch bei uns noch viel Potenzial bei den Leistungsstarken. Gleichzeitig müssen wir bei der Diagnose und Förderung der leistungsschwachen Kinder besser werden. Idealerweise müssen Schwierigkeiten schon in den ersten beiden Schuljahren erkannt und die Kinder dann gezielt gefördert werden. Dabei ist es nicht zielführend, bestimmte Aufgaben zigmal zu üben. Man muss vielmehr erkennen, wo Verständnisprobleme ihren Ursprung haben und dort ansetzen. Und hier sind Lehrkräfte auf Unterstützung angewiesen, denn das können sie nicht allein bewältigen. Daher ist es unsere Aufgabe als Wissen­schaft­ler*innen, in Kooperation mit der Unterrichtspraxis Material zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen sowie entsprechende Fortbildungen anzubieten.

Seitens der TU Dortmund sind wir bereits an drei aktuellen Projekten beteiligt: Gemeinsam mit weiteren TU-Kolleg*innen, darunter Prof. Susanne Prediger und Prof. Daniela Götze, bin ich zum Beispiel beteiligt an QuaMath, dem Zehnjahresprogramm der Kultusministerkonferenz, das 10.000 Schulen erreichen soll, sowie am Startchancen-Kompetenz­zentrum Mathematik, mit dem Bund und Länder bis zu 4.000 Schulen in herausfordernder Lage unterstützen wollen. Seit vielen Jahren entwickeln wir außerdem im Projekt PIKAS Materialien für besseren Mathematikunterricht. Ich habe die Hoffnung, dass wir damit auf einem guten Weg sind.

Wie ist es für Sie persönlich, an so einer großen internationalen Studie mitzuwirken? Was bedeutet das für den Arbeitsalltag?

Das bedeutet einerseits, dass es alle vier Jahre stressig wird, da die internationalen Ergebnisse immer erst spät bei uns eintreffen, wir diese aber für die vergleichende Analyse brauchen. Außerdem häufen sich natürlich zum Erscheinen der aktuellen Ergebnisse die Presseanfragen. Grundsätzlich bin ich im Rahmen der TIMS-Studie ja Teil eines großen deutschen Konsortiums, das von der Universität Hamburg geleitet wird. Der rege Austausch mit den Kolleg*innen über viele Jahre hinweg ist sehr wertvoll für meine Arbeit. Spannend ist es auch, wenn man in ein übergreifendes Konsortium berufen wird und dann tatsächlich gemeinsam mit den internationalen Partnern die Aufgaben auswählt, die die Schüler*innen lösen müssen.

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