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Publikation in Nature Communications

Forschungsteam steuert erstmals chemische Reaktionen im Festkörper

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Die künstlerische Darstellung eines Nanomaterials in Blautönen. © bahadirbermekphoto​/​stock.adobe.com
Künstlerische Darstellung eines Nanomaterials: Mit der neuen Methode könnten Störstellen in solchen Materialien zukünftig schneller neutralisiert werden.

Einem Team von Forscher*innen der Fakultät Physik der TU Dortmund ist es zusammen mit Kooperationspartnern aus Harvard erstmals gelungen, in einem komplexen Halbleitersystem chemische Reaktionen zu steuern. Das ist unter anderem für künftige Anwendungen von Nanomaterialien besonders wichtig. Seine Erkenntnisse hat das Team um den TU-Physiker Prof. Marc Aßmann kürzlich im renommierten Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.

Eine der grundlegendsten chemischen Reaktionen ist der Elektronenaustausch zwischen einem geladenen Ion und einem elektrisch neutralen Molekül. Das geladene Ion „stiehlt“ dem Molekül dabei ein Elektron und wird dadurch elektrisch neutral, während das vormals neutrale Molekül ionisiert zurückbleibt. Für den einfachsten Fall der Reaktion einzelner Ionen mit einzelnen Molekülen hat der französische Physiker Paul Langevin bereits 1905 ein Modell für die chemischen Reaktionsraten aufgestellt.

Doch nicht nur in der Chemie, sondern auch in komplexen Halbleitersystemen sind diese Reaktionen von großem Interesse. Ein Halbleiterkristall besteht aus einem Gitter aus regelmäßig angeordneten Atomen. Jeder Halbleiterkristall weist aber auch Stellen mit Baufehlern auf, an denen Atome fehlen oder falsche Atome eingebaut sind. Diese Störstellen sind oft elektrisch geladen und verhalten sich dann wie Ionen. Die Rolle der neutralen Moleküle übernehmen im Festkörper sogenannte Exzitonen, die sich durch den Kristall bewegen und mit der Störstelle reagieren. Anders als in der Chemie kann man die Reaktionsrate im Halbleiter aber nicht kontrollieren. Das liegt unter anderem daran, dass sich die Exzitonen überwiegend zufällig durch den Kristall bewegen.

Prof. Marc Aßmann, ein Mann im schwarzen T-Shirt, steht im Labor. © Roland Baege​/​TU Dortmund
Der Physiker Prof. Marc Aßmann hat seine Erkenntnisse in „Nature Communications“ veröffentlicht.

„Ein großer Schritt hin zu effizienten Quantentechnologien“

An dieser Stelle haben die Forscher*innen angesetzt und den Kristall mit maßgeschneidertem Laserlicht beleuchtet, um sogenannte Rydbergexzitonen zu erzeugen, die deutlich größer sind als herkömmliche Exzitonen. Der Vorteil: Je größer das Exziton ist, desto leichter kann die geladene Störstelle es an sich heranziehen und die Reaktion läuft schneller ab. Die Forscher*innen konnten dadurch erstmals demonstrieren, dass sich die Reaktionsgeschwindigkeit so gezielt einstellen lässt: Ein Exziton mit fünfzigfach größerem Durchmesser reagiert mehr als dreitausend Mal so häufig mit einer Störstelle. Nach der Neutralisation der Störstellen zeigte der Kristall dabei eine doppelt so hohe Absorption des einfallenden Lichts.

„Die elektrischen Störfelder, die von geladenen Störstellen ausgehen, sind eines der größten Probleme dabei, Nanomaterialien zur Anwendung zu bringen“, sagt Prof. Marc Aßmann. „Diese Felder gezielt neutralisieren zu können, wäre ein großer Schritt hin zu effizienten Quantentechnologien. In zukünftigen Arbeiten wollen wir evaluieren, ob wir Rydbergexzitonen auch unter realistischen Arbeitsbedingungen dazu nutzen können.“

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