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Publikation in Fachzeitschrift Angewandte Chemie

Forschungsteam untersucht RNR-Protein in lebenden Zellen

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Drei Personen stehen in einem Chemie-Labor. Die Frau rechts hält einen Erlenmeyerkolben mit gelber Flüssigkeit in der Hand. © Felix Schmale​/​TU Dortmund
JProf. Müge Kasanmascheff, Shari Lorraine Meichsner und Dr. Yury Kutin (von rechts) haben neue Erkenntnisse zum Aufbau und den Eigenschaften des Proteins Ribonukleotid-Reduktase in lebenden Zellen gewonnen.

JProf. Müge Kasanmascheff und ihr Forschungsteam von der TU Dortmund haben neue Erkenntnisse zum Aufbau und den Eigenschaften des Proteins Ribonukleotid-Reduktase in lebenden Zellen gewonnen. Ihre Arbeit könnte insbesondere für die Krebsforschung von Bedeutung sein. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht.

Für die Funktion der Zellen im menschlichen Körper erfüllen Proteine wichtige Aufgaben. Je nach Art transportieren sie zum Beispiel Stoffwechselprodukte, ermöglichen Zellbewegungen, wehren Infektionen ab oder katalysieren biochemische Reaktionen. Bei all diesen Aufgaben stehen die Proteine im stetigen Austausch mit ihrer Umgebung und wechselwirken mit anderen Proteinen sowie weiteren Zellbestandteilen. Um ein besseres Verständnis für die Funktionsweise von Zellen zu erlangen, ist es daher von großer Bedeutung, die Struktur und die Eigenschaften der einzelnen Proteine besser zu verstehen.

Hier setzt die Forschung von JProf. Kasanmascheff an: Für ihre aktuelle Veröffentlichung haben sie und ihr Forschungsteam das Protein Ribonukleotid-Reduktase (RNR) analysiert, das für die Herstellung von DNA-Bausteinen in den Zellen von fast allen Pflanzen, Säugetieren und auch des Menschen unverzichtbar ist. Das Besondere an diesem Projekt: Alle Untersuchungen erfolgten in vivo, also in lebenden Zellen, statt wie üblich in vitro, also in einer künstlichen Umgebung. „Wir wollten herausfinden, inwiefern sich die tatsächliche Struktur und Funktion der RNR in lebenden Zellen von den Ergebnissen der In-vitro-Forschung unterscheidet“, sagt Kasanmascheff.

Elektronenspinresonanz-Spektroskopie macht die Abläufe in der Zelle sichtbar

Für ihre Untersuchungen nutzt die Juniorprofessorin die Methode der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (ESR-Spektroskopie). Diese funktioniert ähnlich wie die Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT), die häufig in der medizinischen Diagnostik zum Einsatz kommt. Bei beiden Methoden bewirkt ein Magnetfeld, dass bestimmte Teilchen angeregt werden und Signale aussenden, die man aufzeichnen kann: So werden beim MRT die Spins der Atomkerne angeregt, bei der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie hingegen die Spins ungepaarter Elektronen innerhalb von Molekülen. „Um die Struktur und die Vorgänge im Inneren von Zellen und bei Proteinen sichtbar zu machen, eignet sich diese Methode besonders gut, weil solche ungepaarten Elektronen der Ausgangspunkt für zahlreiche chemische Reaktionen in den Zellen sind und auch in der RNR vorkommen“, erklärt JProf. Kasanmascheff. Moleküle mit ungepaarten Elektronen werden allgemein als Radikale bezeichnet.

In der Struktur der RNR gibt es zwei besondere Radikale: Sie verfügen über einen sogenannten Di-Eisen-Kofaktor, der dem Protein die Katalyse ermöglicht. Mit Hilfe der ESR-Spektroskopie konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass die Struktur und die Eigenschaften des Di-Eisen-Kofaktors in der RNR lebender Kolibakterien mit denjenigen übereinstimmen, die bereits in vitro beobachtet wurde. Anhand der Experimente fand das Team jedoch auch heraus, dass die Katalyse bei der RNR in lebenden Zellen anders reguliert ist, als dies in vitro beobachtet wurde. So sind in vivo nicht immer beide Radikale der RNR an der Katalyse beteiligt, sondern zuweilen auch nur ein einzelnes. Die Erkenntnisse unterstützen die These, dass die Aktivität des RNR-Proteins in lebenden Zellen über die Veränderung der Konzentration des Di-Eisen-Kofaktors reguliert wird.

Die Ergebnisse könnten auch für die Krebsforschung relevant werden

In einem weiteren Experiment gelang es dem Dortmunder Forschungsteam außerdem zum ersten Mal, eine unnatürliche Aminosäure an Stelle des Radikals in das RNR-Protein einer lebenden Zelle einzubauen und zu beobachten. Durch diese unnatürliche Aminosäure wird es ebenfalls möglich, die Aktivität des Enzyms zu beeinflussen. Dies sei ein wichtiger Schritt, um das Verhalten lebender Zellen in Zukunft gezielt beeinflussen und manipulieren zu können, so Kasanmascheff. Die Ergebnisse sind besonders für die Krebsforschung relevant. Denn die RNR wird immer dann von den Zellen benötigt, wenn sie sich teilen oder einen Schaden an der DNA reparieren müssen. Wenn es also möglich würde, die Aktivität der RNR in Krebszellen gezielt zu beeinflussen, könnte damit das Wachstum von Tumoren verlangsamt oder sogar ganz gestoppt werden.

Die Ergebnisse der Forschungsarbeit, die im Rahmen des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Exzellenzclusters RESOLV durchgeführt wurde, haben Kasanmascheff und ihr Team in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht. Die Publikation erhielt die Auszeichnung „Highly Important Paper“, die nur an rund zehn Prozent der Veröffentlichungen des Magazins verliehen wird.

Link zur Original-Publikation:

In‐Cell Characterization of the Stable Tyrosyl Radical in E. coli Ribonucleotide Reductase via Advanced EPR Spectroscopy

 

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