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50 Jahre – 50 Köpfe: Drei Fragen an Prof. Ulrich Bonse über Aufbau und Wandel der TU Dortmund

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Ein älterer Mann und eine ältere Frau sitzen in einem Hörsaal und schauen lächelnd nach vorne © Roland Baege
Prof. Ulrich Bonse gemeinsam mit seiner Frau anlässlich der Feierlichkeiten zu seinem 85. Geburtstag vor fünf Jahren an der TU Dortmund.

Prof. Ulrich Bonse, 1993 emeritiert, der TU Dortmund weiter eng verbunden und in der Regel einmal wöchentlich in seinem Büro in der Fakultät Physik vor Ort, gehört zu den Gründungsvätern der Universität Dortmund. 49 der 50 Jahre, die die TU Dortmund jetzt feiert, begleitete er aktiv die Universität. Einzelne Erlebnisse aus dieser Zeit rücken bei ihm in den Vordergrund, wenn er über sein Leben an der TU Dortmund berichtet.

Herr Prof. Bonse, am 1. September 1970 traten Sie die Professur „Experimentelle Physik I“ an der Universität Dortmund an – gemeinsam mit Prof. Dietmar Fröhlich für die Professur „Experimentelle Physik II“ und Prof. Albert Schmid für die Professur „Theoretische Physik I“. Einen guten Monat später begann mit dem Wintersemester 1970/71 der Vorlesungsbetrieb. War da die Fakultät schon voll ausgestattet?

Nein. Wir arbeiteten auf dem Aufbau- und Verfügungszentrum (AVZ), dem heutigen Campus Süd. Die Labore, Hörsäle und Räumlichkeiten der Fakultät entstanden auf dem Campus Nord. In den ersten Jahren musste manches improvisiert werden. Einige Umstände waren günstig für uns: Sach- und Personalmittel standen reichlich zur Verfügung, in der jungen Verwaltung und im Staatlichen Bauamt herrschte Pioniergeist, der alle ansteckte. Erstaunliches wurde in kurzer Zeit auf die Beine gestellt. Bereits 1975 konnten wir die Neubauten auf dem Campus Nord übernehmen und ab dann einen normalen Betrieb bei steigenden Studentenzahlen aufnehmen. Ein Vorteil war auch, dass eine solide Arbeitsgruppe mit Diplomanden und Doktoranden aus meiner Heimatuniversität Münster mit mir nach Dortmund wechselte.

Kaum war die Fakultät in Dortmund etabliert, kam 1980 der Zusammenschluss von Universität und Pädagogischer Hochschule Dortmund. Was war die Herausforderung der „Kommission Überführung“, in der Sie arbeiteten?

Wir mussten den Menschen, die zur Universität kamen, gerecht werden. Bei den Wissenschaftlern war das relativ einfach. Aber wie sollten wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Labors, aus den technischen Diensten, die Putzkräfte und die anderen angemessen unterbringen? Das war eine schwierige Aufgabe, an die ich noch heute oft denken muss. Daneben stellten sich Herausforderungen, etwa die Universität Dortmund technisch aufzurüsten. Das galt vor allem für die Ansiedlung der Synchrotron-Strahlenquelle DELTA. Jahrelang hatten wir am Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg geforscht. Wir nannten uns damals „Parasiten“, weil wir uns an die Anlage anhingen und mit Röntgenstrahlen arbeiteten, die quasi als Nebenprodukt bei DESY anfielen. Mit DELTA konnten wir endlich eine eigene moderne Anlage in Dortmund nutzen. So wurden wir von „Parasiten“ zu „Wirten“.

Von  1990 an waren Sie bis zu Ihrer Emeritierung Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Dortmund. War das ein Highlight Ihrer Arbeit?

Die Zeit stand für Umbrüche. Wir haben damals als einer der Ersten mit E-Mails kommuniziert. Diese schnelle Kommunikation war für die damalige Zeit revolutionär, in der eigentlich Nachrichten per Brief ausgetauscht wurden. Wenn unser Rektor ein Thema anstieß, waren wir sofort informiert und konnten uns eine Meinung bilden. Beschlüsse musste dann aber weiterhin formal das Rektorat fassen. Wir gingen, wenn es Konflikte gab, offen auf die Menschen zu, die anders als wir gestalten wollten. In diese Zeit fiel auch der Bau des Audimax. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass dieser größte Hörsaal Fenster bekam. Rückblickend war das eine gute Entscheidung. Den Einsatz von EDV, von Computern als moderne Arbeitsmittel habe ich noch nach meiner Emeritierung begleitet. Ich war bis 1996 Vorsitzender der Lenkungsgruppe für die Einführung der Datenverarbeitung in der Zentralverwaltung der Universität. 1996 bis 1999 nahm ich als Gutachter an der Evaluierung der Fakultäten Mathematik, Informatik, Statistik, Chemietechnik, Erziehungswissenschaften und Biologie, Sondererziehung und Rehabilitation, Gesellschaftswissenschaften und Theologie sowie des Roboterinstituts teil. Rückblickend bin ich dankbar für die zahlreichen Möglichkeiten, die ich hatte, viele schöne und – wie ich glaube – hin und wieder auch nutzbringende Dinge auf den Weg bringen zu können.

Zur Person:

Prof. Dr. rer. nat. Dr. rer. nat. h.c. Ulrich Bonse, der jetzt seinen 90sten Geburtstag feierte, blickt auf ein erfülltes Leben als Wissenschaftler, Lehrender und Gestalter der Universität Dortmund zurück. Er hat umfangreiche wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht, in den USA und an der Universität Münster geforscht und gelehrt. An der Universität Dortmund war er Baubeauftragter, Institutsleiter, Dekan, Senator, seit 1998 auch Ehrensenator. Die Ludwig-Maximilians-Universität München zeichnete ihn mit dem Titel Dr. rer. nat. h.c. aus. Mit der TU Dortmund verbindet Prof. Bonse auch Persönliches: Der frühere Rektor Erich te Kaat promovierte bei ihm 1968 zum Thema „Das Zweikristall – Röntgeninterfermometer“. Bonses Enkel Florian Otte (27), der in Hamburg aufwuchs, kam zum Physikstudium nach Dortmund – bis zum Masterstudium „inkognito“. Inzwischen promoviert der TU Student Otte an der DESY-Anlage in Hamburg. Ob er von seinem Großvater das Physik-Gen geerbt habe? Nein, sagt Otte, „aber die Begeisterung für Physik“.

Alle Interviews der Reihe „50 Jahre – 50 Köpfe“