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Spotlight Forschung

„So ein Antrag funktioniert nur, wenn man ihm absolute Priorität einräumt“

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Portraitfoto © Beran Kosan​​/​​TU Dortmund
Prof. Johannes Albrecht ist seit 2020 Heisenberg-Professor für experimentelle Physik an der TU Dortmund und sei 2025 Ko-Sprecher des neuen Exzellenzclusters „Color Meets Flavor“.
Prof. Johannes Albrecht erforscht an der Fakultät Physik die fundamentalsten Bausteine des Universums – Elementarteilchen und aus ihnen gebildete subatomare Teilchen. Seit 2025 ist er Ko-Sprecher des Exzellenzclusters „Color Meets Flavor“, einem Forschungsverbund der TU Dortmund, der Universitäten Bonn und Siegen sowie dem Forschungszentrum Jülich, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die kommenden sieben Jahre mit mehreren Millionen jährlich gefördert wird. Im Interview teilt er seine Erfahrungen in der gemeinsamen Antragstellung.

Herr Prof. Albrecht, welches Rätsel Ihrer Disziplin würden Sie gern lösen?

Das Standardmodell der Teilchenphysik geht derzeit von vier grundlegenden Kräften unseres Universums aus: Gravitation, Elektromagnetismus, starke und schwache Wechselwirkung. Immer wieder stoßen wir aber auf Phänomene, die sich damit nicht erklären lassen. Ein Beispiel ist Dunkle Materie, die in unserem Universum eine ganz essenzielle Rolle spielt, sich aber bisher nur indirekt beobachten lässt. Auch unsere Experimente und Messungen etwa am CERN weisen auf Widersprüche hin. Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen: Entweder sind die theoretischen Berechnungen unvollständig oder ungenau, müssen also nachjustiert und angepasst werden. Oder aber dahinter verbirgt sich eine Neuordnung der Physik, die das bisherige Standardmodell in Frage stellen könnte. Dieses Rätsel würde ich gerne lösen – in beiden Fällen wäre es ein Fortschritt für die Physik. Dies ist auch eine der großen Fragen des Exzellenzclusters.

Sie haben sich von den ersten Ideen bis zur endgültigen Bewilligung etwa vier Jahre mit der Beantragung dieses Clusters beschäftigt – wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Arbeitsintensiv. Als Teilchenphysiker sind wir es zwar gewohnt, mit sehr vielen Leuten in groß angelegten und langwierigen Projekten zu kooperieren. Aber die Entscheidung, einen Exzellenzcluster zu beantragen, ist trotzdem ein ziemliches Commitment. Am Anfang waren wir eine kleine Gruppe und wussten nicht, ob dieses Thema wirklich förderfähig ist. Wissenschaftlich lag es zwar auf der Hand, aber natürlich ist Teilchenphysik sehr abstrakte Grundlagenforschung, die im Alltag schwer greifbar ist. Trotzdem stand bald fest: Wir versuchen es. Wir haben dann überlegt, in welchen Forschungsgebieten wir wirklich führend sind und somit auch überzeugen können. Danach haben wir gezielt die renommiertesten Kolleg*innen anderer Teilgebiete angesprochen, die unsere Themen sinnvoll ergänzen, um ein starkes Konsortium zu bilden. Für alle Beteiligten war es ein Kraftakt. Es gab längere Phasen, in denen der Antragsprozess alles dominiert hat, da muss man woanders Abstriche machen. Aber so ein Antrag funktioniert nur, wenn man ihm absolute Priorität einräumt.  

Was hat Ihnen und dem Team besonders geholfen?

Alle Kooperationspartner in dem Projekt sind aus inhaltlicher Überzeugung dabei. Trotzdem muss auch die Chemie zwischen den Leuten stimmen – das war bei uns zum Glück immer der Fall und sehr motivierend. Auf so einer Vertrauensbasis kann man die Arbeit an dem Antrag sinnvoll verteilen und strukturieren. Wir hatten ein Schreibteam aus vier Leuten, das auch inhaltlich die Grundlagenarbeit gemacht hat. Hinzu kam natürlich der Austausch mit allen 20 beteiligten Kolleg*innen: Wir haben uns regelmäßig online abgestimmt, zusätzlich gab es vier Treffen mit allen Mitgliedern vor Ort inklusive Übernachtung. Diese Zeit vor Ort muss man sich nehmen, das war sehr wichtig. Geholfen hat uns auch, dass wir einige Projekte schon in der Planungsphase gemeinsam auf den Weg gebracht haben, etwa zur Wissenschafts­kommunikation. Die Begutachtung selbst haben wir ebenfalls intensiv geprobt, mit der Förderberatung, den Rektoraten und drei Proberunden in Präsenz – hochrangige Critical Friends haben wir dafür teilweise extra eingeflogen. Besonders schön war die exzellente Unterstützung der Rektorate auch während der Begehung. Wir konnten uns darauf verlassen, dass die Hochschulleitungen voll und ganz hinter dem Projekt stehen. 

Zur Person:

  • 2009 Promotion in Physik, Universität Heidelberg
  • 2009-2012 Senior Research Fellow, CERN, Schweiz
  • 2013-2018 Emmy-Noether-Gruppenleiter an der TU Dortmund
  • 2018-2020 Stellvertretender Physik-Koordinator der LHCb-Kollaboration (Large Hadron Collider), CERN
  • 2016-2020 ERC Starting Grant Forschungsgruppenleiter, TU Dortmund
  • seit 2020 Heisenberg-Professur für experimentelle Physik, TU Dortmund
  • seit 2025 Ko-Sprecher des Exzellenzclusters „Color Meets Flavor“ zusammen mit der Universität Bonn, Universität Siegen und dem Forschungszentrum Jülich

Weiterführende Infos:

Der Exzellenzcluster Color Meets Flavor
Zur DFG-Exzellenzstrategie
Förderberatung des Referats Forschungsförderung der TU Dortmund
 

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