Für eine klimarobuste Zukunft
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Seit Jahren nehmen extreme Wetterereignisse wie Hitze, Dürre, Starkregen und Überschwemmungen zu – mit großen Auswirkungen auch auf Nordrhein-Westfalen. Spätestens seit der Flutkatastrophe im Sommer 2021 in NRW und im Ahrtal ist die Frage, ob und wie Regionen für zukünftige Extremwetterereignisse gewappnet sind, in den Medien präsent. Die Schlagzeilen lauten etwa: „Klimafolgen: So ist NRW auf Extremwetter vorbereitet“ – „Diese Auswirkungen hat die Klimakrise auf NRW“ – „NRW will wegen Extremwetter Schwammstädte aufbauen“.
Das Thema Klimaanpassung ist sowohl in den Medien als auch in der Gesellschaft angekommen. Dazu hat womöglich auch das Projekt „Evolving Regions“ einen gewissen Beitrag geleistet. Im Projekt setzten sich von 2019 bis 2023 in sieben teilnehmenden Regionen jeweils knapp 100 Akteur*innen – aus Kreisverwaltungen, Städten und Gemeinden, Politik, Verbänden, Unternehmen und Bildungseinrichtungen – intensiv mit dem Thema auseinander. Ergebnis der gemeinsamen Arbeit war in jeder Region eine umfassende „Roadmap“: ein konkreter Plan mit Maßnahmen und Zuständigkeiten, der sogar politisch beschlossen wurde.
Die Methode „Evolving Roadmapping“ war zuvor von der Sozialforschungsstelle (sfs) entwickelt worden. „Ein wichtiges Ziel dabei ist es, die Regionen selbst zu befähigen, klimarobust zu werden“, erklärt Jürgen Schultze. Er ist Wissenschaftler an der sfs und war knapp vier Jahre lang Leiter von Evolving Regions. Um für den breiten Beteiligungsprozess eine Datengrundlage zu haben, analysierte ein Team des Instituts für Raumplanung unter der Leitung von Prof. Stefan Greiving im ersten Schritt die möglichen Auswirkungen des Klimawandels in den jeweiligen Regionen. „Im zweiten Schritt haben wir dann Kooperationen verschiedener Expert*innen und Entscheidungsträger*innen initiiert sowie neue Dialogformate und Netzwerkstrukturen etabliert, um die Roadmaps gemeinsam zu erarbeiten“, sagt Schultze. Zu den rund 25 Maßnahmen, die jede Region für sich entwickelt hat und die seither angegangen werden, gehören beispielsweise Checklisten für die Bauleitplanung, Aktionswochen zur Klimaanpassung, um Bürger*innen für das Thema zu sensibilisieren, oder ein umfassendes Wassermanagement mit Rückhalt und Flächenentsiegelung.
Die Maßnahmen wurden im Projekt von den Akteur*innen erdacht, die auch für die Umsetzung zuständig sind. „Das hat den Vorteil, dass im Nachgang niemand mehr von ihrer Notwendigkeit überzeugt werden muss“, sagt Schultze.

Die Herausforderung sei gewesen, schon während der Entwicklung erfolgreich zu kommunizieren, um eine möglichst breite Zielgruppe mitzunehmen – von den Projektbeteiligten bis hin zur Öffentlichkeit. „Wir betreiben an der sfs angewandte Sozialforschung“, erklärt der Wissenschaftler. „Und das ist einer unserer Zugänge: Wir entwickeln soziale Innovationen auf Augenhöhe mit den Menschen, die die Probleme vor Ort erleben und lösen möchten.“
Rund 125.000 Euro Fördermittel für Kommunikation
Schon in der Planung des Projekts war dem sfs-Team klar, dass sie sich auch in der Kommunikation professionell aufstellen wollten. Auf einer Veranstaltung rund um Gründungsthemen lernte Jürgen Schultze im Jahr 2018 einen Vertreter von „ZDF Digital“ kennen. Das Unternehmen entwickelt als kommerzieller Arm des ZDF im Kundenauftrag Fernseh- und Multimediaproduktionen – und zeigte sich von der Projektidee begeistert. Statt Kommunikation als reine Agenturleistung einzukaufen, wurde ZDF Digital von Anfang an als Projektpartner Teil des Konsortiums. Von insgesamt 2,9 Millionen Euro, die das Land NRW und die EU für Evolving Regions als Fördermittel zur Verfügung stellten, wurden rund 125.000 Euro für den Kommunikationspartner budgetiert.
„Es war extrem wertvoll, ZDF Digital als echten Partner dabei zu haben, der die gesamte Projektarbeit mitverfolgt – statt nur im Auftrag zu handeln“, erinnert sich Schultze. Zunächst haben die ZDF-Kommunikationsexpert*innen den Namen „Evolving Regions“ für das Projekt entwickelt, der eingängig ist und auf den ersten Blick erkennen lässt, worum es inhaltlich geht: die Weiterentwicklung von Regionen. „Vorher hießen wir LIRCA“, erinnert sich Schultze. „Wofür diese Abkürzung genau stand, weiß ich heute, ehrlich gesagt, auch nicht mehr.“
Gemeinsam wurden für das Projekt zwei Kommunikationskanäle aufgebaut und mit Inhalten bespielt: Ein dreisprachiger Internetauftritt und ein Twitterkanal. Im ersten Schritt habe ZDF Digital ein professionelles Design entwickelt, erinnert sich Schultze: „Logo, Folien, Farben, Bildsprache – da war alles dabei. Und wir haben schnell gemerkt, dass wir uns damit von vielen Projektauftritten abheben – und auch ein junges Publikum ansprechen.“ Das Monitoring habe gezeigt, dass die Website während des Projektzeitraums bundesweit wahrgenommen wurde: Laut Statistiken wurde der Auftritt über 100.000 Mal besucht. Die Roadmaps und weitere Dokumente wurden über 4.000 Mal heruntergeladen und auf die interaktiven Karten zur Klimawirkung wurde 7.350 Mal zugegriffen.


„Zusätzlich zur eigenen Website haben wir uns damals für einen Twitteraccount entschieden, auf dem wir regelmäßig News aus dem Projektkontext, aber auch allgemeine Informationen und Angebote rund um das Thema der Klimaanpassung geteilt haben“, berichtet Schultze. Wer über Twitter – heute X – wahrgenommen werden will, braucht eine gewisse Frequenz: Also gab es einen Redaktionsplan, der dafür sorgte, dass insgesamt 920 Tweets abgesetzt und 320 Follower gewonnen wurden. Die Tweets wurden über 366.000 Mal von User*innen in ihren Timelines angezeigt. Das Twitterprofil @EvolvingRegions wurde insgesamt über 33.000 Mal angeklickt. „Für ein inhaltliches Projekt, das nicht besonders groß in den Medien war, ist das schon richtig gut“, zieht Schultze Bilanz. „Umgesetzt werden konnte der hohe Output nur durch die Projektbeteiligten. Wir mussten selbst fit werden in der Kommunikation. Deswegen hat ZDF Digital uns beigebracht, wie man Tweets formuliert und auch die Veröffentlichung professionell plant.“
Kleine Drohnenvideos zeigen Schäden der Wälder
So haben auch die Verantwortlichen in den einzelnen Regionen selbst Inhalte produziert. „Wenn etwas in den Regionen passiert ist, wurde das auch von einer Community dort wahrgenommen.“ ZDF Digital hat für die Projektpartner in den einzelnen Regionen drei Workshops zum Thema Storytelling angeboten und eine App zur Verfügung gestellt, mit der auch von Laien ansprechende Social-Media-Videos erstellt werden können. „Eine Region hat sich extra eine Drohne angeschafft, um die Schäden der Wälder eindrucksvoll dokumentieren zu können“, erinnert sich Schultze. Insgesamt wurden im Projekt 29 Videos produziert, die heute noch über YouTube abrufbar sind: Die Bandbreite reicht von kurzen Vorstellungen der Regionen mit ihren Besonderheiten, Interviews mit Politiker*innen bis zu persönlichen Berichten zu den eigenen Erfahrungen mit den Folgen des Klimawandels.
Obwohl die klassische Pressearbeit nicht Teil der Kommunikationsstrategie war, konnten insgesamt 96 Erwähnungen des Projekts in regionalen und überregionalen Zeitungen, Magazinen und auch Fernsehbeiträgen gezählt werden. Nach dem Starkregen und der Flutkatastrophe im Sommer 2021 in NRW und im Ahrtal wurde die Klimaanpassung ein auch von Journalist*innen zunehmend gefragtes Thema: So erhielt eine Redakteurin der überregionalen Tageszeitung „Die Welt“ im Zuge ihrer Recherchen vom Umweltbundesamt den Hinweis auf Evolving Regions. Sie fand das Projekt spannend und fuhr nach Soest: „Einen ganzen Tag lang haben wir ihr Orte gezeigt, die vom Klimawandel betroffen sind, und für die bereits Maßnahmen entwickelt wurden“, erzählt Schultze. Die kleine Reisegruppe besuchte etwa das Gelände eines ehemaligen Freibads, wo sich heute der Soestbach windet und bei Starkregen gefahrlos ausbreiten kann. Auch in der Innenstadt hat die Gemeinde den einst kanalisierten Bach renaturiert, damit dieser die Stadt als natürliche Klimaanlage bei Hitze besser kühlen kann. Mit dem doppelseitigen Artikel, der am 1. August 2021 in der „Welt am Sonntag“ unter dem Titel „Extremwetter: So wappnen sich Gemeinden jetzt gegen Dürre und Flut“ erschienen ist, ist Jürgen Schultze zufrieden: „Damit konnten wir wirklich eine breite Zielgruppe erreichen.“ Das dürfte auch für ein ausführliches Radiointerview gelten, das Prof. Stefan Greiving vom Institut für Raumplanung am 26. Juli 2021 im WDR5-Tagesgespräch zum Thema Klimaanpassung und Evolving Regions gegeben hat.

In Sachen Wissenschaftskommunikation hat Jürgen Schultze während des Projekts viel gelernt – und auch Lehren gezogen: „Würden wir das Projekt noch einmal starten, würden wir nicht nur selbst kommunizieren, sondern auch mit den Pressestellen der Regionen kooperieren, um Synergien zu nutzen.“ Eine Projektpartnerschaft mit einem Unternehmen wie ZDF Digital würde er jederzeit wieder eingehen, dabei müsse einem jedoch eine Eigenheit bewusst sein, meint Schultze: „Eine Agentur wie ZDF Digital ist an Kampagnen und kurze Zeitfenster gewöhnt. Das widerspricht sich eigentlich mit unserer kontinuierlichen Projektarbeit. Da muss man einen gemeinsamen Weg finden. Aber wenn das gelingt und man es schafft, wissenschaftliche Inhalte in eine Kampagne zu übersetzen, dann macht es Spaß – und kann auch etwas bewirken.“
„Wir entwickeln soziale Innovationen auf Augenhöhe mit den Menschen, die die Probleme vor Ort erleben und lösen möchten.“ Jürgen Schultze
Auch wenn das Projekt „Evolving Regions“ zum März 2023 ausgelaufen ist, wirkt es in den Regionen weiter: So werden die in den Roadmaps entwickelten Maßnahmen weiter umgesetzt und auch die Personalstellen für Klimaanpassung wurden in allen Regionen verstetigt. Und auch für die Sozialforschungsstelle geht es in Sachen Klimaanpassung weiter: In diesem Jahr ist auf europäischer Ebene das Projekt „Green Team“ gestartet. Mit Fördermitteln von der Europäischen Union und vom Bund soll die Methode „Evolving Roadmapping“ verfeinert und in Regionen in den Niederlanden, in Belgien und im Emsland umgesetzt werden. Für die Kommunikation bedeutet das eine neue Herausforderung: Das Team muss seine Erkenntnisse in verschiedenen nationalen Kontexten verbreiten und will dazu auch mit Plattformen des Föderprogramms Interreg, den nationalen Ministerien sowie Verbänden und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten, um Synergien zu nutzen.
Text: Lena Reil
Zur Person:
Der Diplominformatiker Jürgen Schultze ist seit 2000 Koordinator des Forschungsbereiches „Transformative Governance in Stadt und Region“ der Sozialforschungsstelle (sfs) an der Fakultät Sozialwissenschaften. Als Innovationsforscher hat er seinen Schwerpunkt auf die Transformation unserer Gesellschaft gelegt – mit der Zielsetzung, sozialen Innovationen und einer praxistauglichen Governance mehr Bedeutung zu geben. In nationalen und internationalen Projekten setzt er seine transdisziplinären Konzepte um. Um über geteilte Visionen und Beteiligungsformate eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Stakeholder-Gruppen zu ermöglichen, veranstaltet die sfs dabei auch lokale Innovationslabore und großformatige Innovationsdialoge.

Evolving Regions
Zu den Partnerregionen gehörten die Kreise Wesel, Steinfurt, Siegen-Wittgenstein, Soest, Minden-Lübbecke, Coesfeld und Lippe sowie die niederländischen Gemeinden Zwartewaterland und Kampen.
Neben der TU Dortmund mit der Sozialforschungsstelle und dem Institut für Raumplanung waren außerdem folgende Institutionen beteiligt: Deutsches Institut für Urbanistik, PrognosAG, BEW Bildungszentrum, Universität Twente, ZDF Digital.
Dies ist ein Beitrag aus der mundo, dem Forschungsmagazin der TU Dortmund.