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Publikation in Nature Materials

Forschende spüren winzige atomare Bewegungen in Kristallen auf

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Grafik: Ein Netzt aus leuchtenden blauen und lila Linien vor einem dunklen Hintergrund. Dahinter werden rosa Zahlen gezeigt. © Chaikit​/​stock.adobe.com
Dem Forschungsteam ist es mit seiner neuen Methode gelungen, eine akustische Welle, die mit keiner bisher bekannten experimentellen Technik nachgewiesen werden konnte, nachzuweisen. Hier eine künstlerische Darstellungen von Schallwellen und visuellen Daten.
Ein Forschungsteam der TU Dortmund, der Universität Paderborn und der University of Nottingham hat eine neue optische Methode entwickelt, um ultraschwache atomare Bewegungen nachzuweisen. Ihr in Dortmund durchgeführtes Experiment hat gezeigt, dass sich atomare Bewegungen in Kristallen mithilfe von Lichtinterferenz mit bisher unerreichter Empfindlichkeit nachweisen lassen. Die Ergebnisse, die kürzlich in der Physik-Fachzeitschrift „Nature Materials“ publiziert wurden, eröffnen neue Wege zur Untersuchung ultraschneller Prozesse in Materialien.

Präzise optische Messungen beruhen auf Interferometern, bei denen ein Lichtstrahl, der eine bestimmte Wegstrecke abtastet, mit einem Referenzstrahl interferiert, der eine festgelegte Distanz durchläuft. Auf diese Weise lässt sich die Weglängen-Differenz zwischen den beiden Strahlen mit hoher Präzision bestimmen. Ein eindrucksvolles Beispiel sind Gravitationsinterferometer, die Gravitationswellen aufspüren, die durch ein weit entferntes Ereignis im Universum ausgelöst werden, zum Beispiel die Kollision von schwarzen Löchern. Um die gewünschte Empfindlichkeit zu erreichen, hat das Interferometer LIGO eine geometrische Länge von 4 Kilometern, die durch mehrfaches Durchlaufen der Strahlen auf eine effektive Länge von 1.120 Kilometern erhöht wird. Dies ermöglicht Messungen von relativen Längenänderungen der Interferometer-Arme in der Größenordnung von 10-22, was etwa 10-18 Metern entspricht. Das ist ein extrem kleiner Längenunterschied, etwa ein Tausendstel des Radius eines Protons. Dazu ist ein 200 Watt starker Laserstrahl erforderlich, der in dem als Resonator fungierenden Interferometer auf 700 Kilowatt verstärkt wird.

Dem internationalen Team aus Dortmund, Paderborn und Nottingham ist es nun gelungen, mit einem sogenannten Halbleiter-Supergitter – einer an der Universität Paderborn hergestellten periodischen Struktur aus Nanometer-Halbleiterschichten – als Interferometer atomare Lageänderungen vergleichbarer absoluter Größenordnung interferometrisch zu messen. Der entscheidende Unterschied ist, dass die effektive Größe eines solchen Interferometers nur in der Größenordnung von einem Mikrometer liegt und damit eine Milliarde Mal kleiner ist als die Gravitationsinterferometer. Außerdem ist die benötigte Laserleistung ebenfalls eine Milliarde Mal kleiner, in der Größenordnung von nur einem Mikrowatt.

Eine blaue und rote Grafik auf weißem Hintergrund: Sie stellt dar, wie eine ultraschnelle Expansion eines optisch angeregten dünnen Metallfilms einen akustischen Impuls erzeugt, der sich durch die kristalline Platte ohne Abschwächung ausbreitet. © Anton Samusev
Die ultraschnelle Expansion eines optisch angeregten dünnen Metallfilms erzeugt einen akustischen Impuls, der sich durch die kristalline Platte ohne Abschwächung ausbreitet. Die außergewöhnliche Empfindlichkeit der Detektion des akustischen Pulses auf der gegenüberliegenden Seite der Platte wird durch die Kombination aus optischer Interferenz und resonanten Eigenschaften der Halbleiter-Supergitter-Schicht ermöglicht.

Im validierenden Experiment wurde die interferometrische Detektion auch zur Beobachtung eines entfernteren Ereignisses eingesetzt. Ein 100-Femtosekunden-Laserpuls – das entspricht 10-13 Sekunden – erhitzte einen auf einer kristallinen Platte aufgebrachten Metallfilm, was zu einem Temperaturanstieg von 0,1 Grad und einer thermischen Ausdehnung des Films von weniger als 100 Attometern, also 10-16 Metern, führte. „Die durch diese ultraschnelle und winzige thermische Ausdehnung erzeugte akustische Welle, die mit keiner bisher bekannten experimentellen Technik nachgewiesen werden konnte, wurde auf der gegenüberliegenden Seite der Platte beim Erreichen des Supergitters sicher nachgewiesen“, sagt Marek Karzel aus der Arbeitsgruppe von Dr. Alexey Scherbakov an der Fakultät Physik, der das Experiment durchgeführt hat. Sein Kollege Dr. Anton Samusev weist auf den Unterschied zum LIGO-Experiment hin: „Im Gegensatz zum LIGO-Interferometer werden bei der entwickelten Methode keine Einzelereignisse erfasst. Stattdessen sind zahlreiche Messungen erforderlich, um ein ausreichendes Signal-Rausch-Verhältnis zu erzielen. Im Gegensatz zu astronomischen Ereignissen, bei denen die Kollision zweier schwarzer Löcher nur ein einziges Mal stattfindet, ist diese Anforderung in einem experimentellen Labor, in dem die Messungen millionenfach pro Sekunde wiederholt werden können, jedoch überschaubar.“

Diese Forschung eröffnet interessante Möglichkeiten für Materialstudien sowie für die Quantenmetrologie, die einzelne Quanten von Kristallgitterschwingungen, so genannte Phononen, einbezieht.

Zur Veröffentlichung in „Nature Materials“

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