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MUNDO INTERVIEW

Rechtspopulismus und Klimaschutz

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Eine Hand hält in einer Straße mit mehreren Menschen ein Blattpapier hoch mit einem Ungleichzeichen darauf gedruckt. © 1STunningART​/​stock.adobe.com
Aus Sicht des Klimaschutzes ist eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft dringend notwendig. Doch wie hängt die Einstellung der Bevölkerung zum Klima mit populistischen Haltungen zusammen? Und welche Rolle spielt soziale Ungleichheit? Diese Fragen haben Dr. Miriam Schad und Philipp Kadelke von der Fakultät Sozialwissenschaften untersucht.

Dr. Miriam Schad und Philipp Kadelke von der Fakultät Sozialwissenschaften sprechen im mundo-Interview über „Politiken der Nicht-Nachhaltigkeit“.

Zahlreiche Naturkatastrophen, ein gesteigertes Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels, Greta Thunberg und Fridays for Future auf der einen Seite, ein Erstarken rechtspopulistischer Akteure wie der AfD oder Donald Trump auf der anderen Seite – diese beiden Entwicklungen sind derzeit in Europa und weltweit zu beobachten. Aus Sicht von Klimaschützer*innen ist eine sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft dringend notwendig, doch welche Rolle spielen bei dem Prozess national-autoritäre Haltungen und soziale Ungleichheit? Lassen sich Zusammenhänge zwischen Klimaschutz- und Umwelteinstellungen einerseits und nationalistisch-populistischen Orientierungen andererseits erkennen? Diese Fragen haben Dr. Miriam Schad und Philipp Kadelke von der Fakultät Sozialwissenschaften gemeinsam mit Kolleg*innen des Norbert-Elias-Center (NEC) an der Europa-Universität Flensburg im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten einjährigen Pilotstudie „Politiken der Nicht-Nachhaltigkeit“ (PONN) untersucht.

Wie kam es zu dem Projekt und was war das Ziel?

Schad: Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass Umwelt- und Klimaschutz in bestimmten politischen Kontexten zu einer Art „neuem Feindbild“ geworden sind. Ziel unseres Projekts war es daher, einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu rechtpopulistischen Positionen gegenüber Klima- und Umweltschutz zu geben sowie mögliche Erklärungsansätze zu erarbeiten. Zudem wollten wir empirische Zusammenhänge zwischen den beiden Entwicklungen in der Bevölkerung ermitteln und weitere Forschungsbedarfe aufzeigen.

Wie lassen sich Klimawandeleinstellungen und populistische Haltungen in der Bevölkerung denn eigentlich messen? Wie sind Sie vorgegangen?

Kadelke: Das Projekt gliederte sich in zwei Arbeitspakete. Die Kolleg*innen in Flensburg haben in einer Literaturstudie den aktuellen Forschungsstand systematisch aufgearbeitet. Wir in Dortmund haben drei umfangreiche Sekundärdatensätze ausgewertet, bei denen es sich um repräsentative statistische Daten für die deutsche Bevölkerung handelt. Die Einstellungen werden dabei anhand von Fragen gemessen, etwa ob man den Aussagen „Wenn alles so weitergeht wie bisher, steuern wir auf eine große Umweltkatastrophe zu“ oder „Politiker*innen kümmern sich nicht darum, was Leute wie ich denken“ zustimmt oder nicht.

Sie haben in Ihrer Analyse zwischen Populismus und Rechtspopulismus differenziert. Was ist genau der Unterschied?

Schad: Hierzu gibt es grundsätzlich verschiedene theoretische Ansätze. Kern einer populistischen Ideologie ist in den meisten Konzeptionen die Einteilung der Gesellschaft in ein „anständiges Volk“ und eine „korrupte Elite“. Der Volkswillen wird hierbei als homogen imaginiert und unterschiedliche Meinungen in einer pluralen Gesellschaft werden ausgeblendet. Man spricht in diesem Fall auch von einer „dünnen“ Ideologie. Populistische Akteure erheben den Anspruch, den einheitlichen Willen des Volkes gegenüber der Elite – hierzu zählen unter anderem Politiker*innen, Journalist*innen und Wissen­schaft­ler*innen – zu vertreten. Zusätzlich wird häufig bestimmten Minderheiten die Schuld für bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen zugeschrieben. Wenn also gewisse Haltungen, zum Beispiel Ausländerfeindlichkeit oder EU-Skeptizismus, hinzukommen, lädt sich der Populismus sozusagen rechts auf.
Kadelke: Bei der Analyse von rechtspopulistischen Einstellungen gibt es also einmal eine vertikale Differenzierungslinie zwischen „oben“ und „unten“. Hinzu kommt eine horizontale Differenzierungslinie entlang verschiedener rechtsideologischer Thematiken wie Migration und Nationalismus.

Ein Wahlplakat der Partei AfD an einem Laternenpfahl. © picture alliance​/​Eventpress Hoensch
Was hat Rechtspopulismus mit Klimaschutz zu tun?
Es ist links ein grauer Grenzzaun zu sehen und davor steht ein weißes Auto. © picture alliance​/​NurPhoto | Nicolas Economou
Wer Geflüchtete als Bedrohung sieht und Grenzzäune fordert, ist statistisch deutlich häufiger auch der Ansicht, dass die Energiewende die Industrie zerstört.

Die AfD ist seit vier Jahren im Bundestag vertreten. Kann man sagen, dass sich Rechtspopulismus als politische Kraft immer mehr etabliert?

Kadelke: Ja, Rechtspopulismus ist in Europa und darüber hinaus längst keine Randerscheinung mehr. Auch in der deutschen Bevölkerung sind rechtsgerichtete Einstellungen zu finden. Die Erhebungen zeigen, dass ungefähr zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung in Deutschland entsprechende Einstellungen vertreten. So sagt etwa rund ein Viertel, dass Einwander*innen Deutschland zu einem eindeutig schlechteren Ort machen.
Schad: Es gibt unterschiedliche Ansätze, mit denen versucht wird, den Aufstieg der Rechtspopulisten zu erklären. Als Gründe werden unter anderem die Globalisierung und die mit einer wirtschaftsliberalen Politik einhergehende Angst vor einem sozialen Abstieg aufgeführt. Andere sehen rechtspopulistische Parteien in erster Linie als Bewegung gegen eine kulturelle Liberalisierung und Modernisierung. Vertreter*innen der Kontinuitätsthese argumentieren wiederum, dass menschenfeindliche und rassistische Einstellungen seit vielen Jahrzehnten in der Gesellschaft verbreitet sind und einen guten Nährboden für rechtspopulistische Politik bieten.

Wie sieht es mit den Einstellungen zu Klimawandel und Umweltschutz in der deutschen Bevölkerung aus?

Schad: Es zeigt sich, dass die deutsche Bevölkerung grundsätzlich umwelt- und klimawandelsensibel ist. Auch nehmen die Sorgen bezüglich der Umweltzerstörung und der Folgen des Klimawandels zu. Eine Leugnung des menschengemachten Klimawandels spielt in der Gesamtbevölkerung in Deutschland kaum eine Rolle. Auf kognitiver Ebene ist also große Einigkeit darüber zu erkennen, dass die Umwelt geschützt werden muss. Erst wenn es um die konkrete Umsetzung politischer Maßnahmen geht, etwa die Bereitschaft, höhere Steuern zu zahlen, zeigen sich größere Unterschiede.

Eine Person mit weißem T-Shirt trägt einen mit Obst und Gemüse gefüllten Einkaufskorb. © rh2010​/​stock.adobe.com
Im Bioladen einkaufen, aber regelmäßig um die Welt fliegen? Ein Beispiel für soziale Ungleichheit:
Am Flughafen steht ein blauer Koffer neben einem schwarzen Rucksack und im Hintergrund ist ein Flugzeug auf einem Rollfeld zu sehen. © Ralf Geithe​/​stock.adobe.com
Obwohl Menschen mit hohem Bildungsgrad meist umweltbewusster sind, wächst mit steigendem Einkommen auch ihr ökologischer Fußabdruck.

Und konnten Sie Zusammenhänge zwischen (rechts-)populistischen Haltungen und Umwelt- beziehungsweise Klimawandeleinstellungen erkennen?

Kadelke: Tendenziell zeigt sich beispielsweise, je eher eine Person der Auffassung ist, dass Politiker*innen das größte Problem in Deutschland sind, desto eher wird auch die Energiewende abgelehnt. Das ist ein Indiz dafür, dass der Energiewende eine Schlüsselfunktion als vermeintliches Elitenprojekt zukommt. Insgesamt hat die Datenauswertung aber ergeben, dass Populismus und Umwelt- beziehungsweise Klimawandeleinstellungen nur schwach zusammenhängen. Stärkere Korrelationen lassen sich dagegen beim Rechtspopulismus erkennen. So sind Menschen, die zum Beispiel Geflüchtete als eine Bedrohung für die Werte in Deutschland einschätzen, deutlich häufiger auch der Ansicht, dass die Energiewende den Industriestandort Deutschland zerstört.
Schad: Ähnliches lässt sich auch bei rechtspopulistischen Parteien beobachten. Die AfD setzt sich beispielsweise für einen Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ein und hat nach eigener Aussage „die Kritik an der sogenannten Klimaschutzpolitik“ nach dem Euro und der Zuwanderung zu ihrem dritten großen Thema gemacht. Als Gründe für die Ablehnung einer Klimaschutzpolitik werden unter anderem eine vermeintliche Schwächung des Wirtschaftsstandorts und eine übermäßige Belastung der „einfachen Leute“ genannt. Es ist daher wichtig, bei politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels immer auch deren Verteilungswirkung mit zu bedenken.

Was bedeutet das?

Schad: Klimaschutzpolitik ist bislang zumindest teilweise so ausgerichtet, dass sie bestehende Ungleichheiten verstärkt. Wenn beispielsweise bestimmte Energieträger wie Solaranlagen auf Privathäusern politisch subventioniert werden, profitieren davon nur diejenigen, die sich überhaupt ein Eigenheim leisten können. Umweltpolitische Projekte werden nicht selten als etwas wahrgenommen, das sich nur Besserverdienende leisten können, oder als Projekte, die immer auch mit vermehrten Kosten einhergehen. Soziale Ungleichheit zeigt sich auch darin, dass mit einem hohen Bildungsgrad zwar meist ein deutlich erhöhtes Umweltbewusstsein einhergeht, doch auf der Handlungsebene wird klar, dass mit steigendem Einkommen auch der ökologische Fußabdruck wächst – um ein Klischee zu bedienen: im Biomarkt einkaufen, aber regelmäßig um die Welt fliegen. Politische Entscheidungsträger*innen sollten also bei Umweltschutzmaßnahmen immer deren Verteilungswirkung mit bedenken. Andernfalls sinkt die Bereitschaft für Klimaschutzmaßnahmen in bestimmten Bevölkerungsgruppen. Ein Positivbeispiel wären etwa Gesetzgebungen, die den ÖPNV und die Fahrradmobilität stärken – dies kommt allen zugute.

Auf weißem Hintergrund sind mehrere grüne Hände zu sehen, die nach oben zeigen. © KsanaGraphica​/​stock.adobe.com
Die Studie zeigt, dass vor allem bei Rechts­populist*innen auch negative Einstellungen zum Klimaschutz zu finden sind. Klimaschutzmaßnahmen sollten in Zukunft so gestaltet werden, dass sie soziale Ungleichheiten nicht weiter verstärken.

Welche weiteren Handlungsempfehlungen lassen sich aus Ihren Auswertungen ableiten?

Kadelke: Neben der gerade beschriebenen Verknüpfung von klima- und sozialpolitischen Anliegen ist es wichtig, dass eine breite politische Debatte angestoßen wird. Denn Klima- und Umweltschutz erfordern eine tiefgreifende sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft, dies sollte kontrovers diskutiert werden. Und aus Konflikten können durchaus auch Impulse für neue Vorhaben entstehen. Auch veränderte Repräsentations- und Beteiligungsformate erscheinen sinnvoll. So wurden etwa in Frankreich im Zuge der Gelbwesten-Bewegung 2019 Klima-Bürger*innenräte ins Leben gerufen, in denen Bürger*innen gemeinsam mit Expert*innen über die Einführung einer CO2-Steuer auf Benzin diskutierten und Vorschläge erarbeiteten, um die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren. Selbstverständlich ist auch politische Bildung zu Klima- und Umweltthemen von zentraler Bedeutung. Außerdem braucht es positive Zukunftsperspektiven, um vermeintlichen „Transformationsverlierer*innen“ neue Möglichkeiten und Angebote in Aussicht zu stellen und somit die Akzeptanz von Klimaschutzpolitiken zu erhöhen. In der Lausitz, einer vom Bergbau geprägten Region, wird daher in den kommenden Jahren die öffentliche Infrastruktur stark ausgebaut.
Schad: Bei all dem ist letztlich der Faktor Zeit entscheidend. Angesichts der Folgen des anthropogenen Klimawandels nehmen auch Dringlichkeit und Handlungsdruck auf politische Entscheidungsträger*innen zu und damit das Konfliktpotenzial von sozial-ökologischen Transformationsprozessen.

Text: Lisa Burgardt

Zu den Personen

Ein Porträtbild einer Frau vor eine Glasscheibe, diese Frau ist Miriam Schad. © David Ausserhofer​/​Körber-Stiftung

Dr. Miriam Schad ist seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Soziologie mit dem Schwerpunkt soziale Ungleichheiten an der Fakultät Sozialwissenschaften. Im gleichen Jahr hat sie bei Prof. Nicole Burzan zum Thema „Umwelteinstellungen und Umwelthandeln in prekären Lebenslagen“ promoviert. Von 2011 bis 2016 war sie Mitarbeiterin im Forschungsbereich „KlimaKultur“ am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen. Schad hat von 2006 bis 2010 Soziologie mit Nebenfach Volkswirtschaftslehre an der Philipps-Universität Marburg studiert. Ihre Forschungsschwerpunkte sind soziale Ungleichheit, Umweltsoziologie, Familiensoziologie und Methodenpluralität und -verknüpfung.

Ein Porträtbild von einem Mann vor einer weißen Wann, der Mann ist Philipp Kadelke. © Aliona Kardash​/​TU Dortmund

Philipp Kadelke ist seit 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Soziologie mit dem Schwerpunkt soziale Ungleichheiten an der Fakultät Sozialwissenschaften der TU Dortmund. Zuvor war er als Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Politikwissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg tätig. Philipp Kadelke hat von 2010 bis 2017 Soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und Sozialwissenschaften an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg studiert. Seine Schwerpunkte an der TU Dortmund sind soziale Ungleichheit, Wohnsoziologie, Gerechtigkeitsforschung und Methoden der empirischen Sozialforschung.

Dies ist ein Beitrag aus der mundo, dem Forschungsmagazin der TU Dortmund. 

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