Vom Physik-Nobelpreis zum neuen Kilogramm
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Am 5. Februar 1980 um zwei Uhr morgens machte von Klitzing seine wegweisende Entdeckung: Im Hochmagnetfeld-Labor im französischen Grenoble analysierte er den Stromfluss durch einen Halbleiter und stieß dabei zufällig auf den Quanten-Hall-Effekt. Dieser beschreibt, wie sich der elektrische Widerstand in extrem dünnen Materialien bei starkem Magnetfeld und tiefen Temperaturen in festen Stufen ändert, die von den Gesetzen der Quantenmechanik bestimmt werden. Nur fünf Jahre später erhielt von Klitzing, zu diesem Zeitpunkt war er Direktor am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, dafür den Physik-Nobelpreis. Mittlerweile gebe es knapp 19.000 Publikationen, in denen der Quanten-Hall-Effekt erwähnt werde, erzählte der Physiker im Audimax. Außerdem habe seine Erkenntnis zu drei weiteren Nobelpreisen beigetragen – sowie zur Neufestlegung des Kilogramms durch das Internationale Büro für Maß und Gewicht vor circa sechs Jahren.
Anschaulich schilderte von Klitzing, wie er im Alter von 36 Jahren nachts im Labor arbeitet, um seine energieintensiven Experimente mit möglichst günstigem Nachtstrom durchzuführen. Seine bahnbrechende Entdeckung habe er sofort als solche erkannt, berichtete er. Sein Protokollbuch mit den Notizen aus jener Nacht ist heute im Deutschen Museum in Bonn ausgestellt. Auf Basis des von ihm entdeckten Effektes werden weltweit alle Präzisionsmessungen von elektrischen Widerständen relativ zur sogenannten „von-Klitzing-Konstante“ – einer physikalischen Konstante für den Widerstand – durchgeführt.
„Dass plötzlich ein Widerstand existierte, der immer derselbe war, war so unerwartet, dass es anfangs sogar schwer war, die Erkenntnis zu publizieren“, erinnerte sich von Klitzing. „Ich bin stolz darauf, dass ich meine eigene Konstante habe.“
Das neue Kilogramm
Doch was kann für einen Wissenschaftler nach der Verleihung des Nobelpreises noch kommen? Welchen Einfluss „seine Konstante“ auf die Metrologie – die Wissenschaft vom Messen – haben würde, konnte sich von Klitzing vor rund 40 Jahren nicht ausmalen. Im Jahr 2018 war er zur Generalkonferenz des Internationalen Büros für Maße und Gewichte eingeladen: „Das war emotional die wichtigste Konferenz meines Lebens. Die Delegierten aus 58 Mitgliedsstaaten waren begeistert und haben einstimmig dafür gestimmt, grundlegende Maßeinheiten neu zu definieren.“ Seit dem 20. Mai 2019 wird das Kilogramm über die Planck-Konstante neu definiert. Das Urkilogramm, das aus einer Platin-Iridium-Legierung besteht und seit 1889 als Prototyp des Kilogramms gesichert und tief unter der Erde in einem Tresor im Internationalen Büro für Maße und Gewichte bei Paris liegt, hatte ausgedient. Die von-Klitzing-Konstante verknüpft die Planck-Konstante mit der Elementarladung und findet Anwendung in der Bestimmung von elektrischen Widerständen.
Der Vortrag von Prof. Klaus von Klitzing zeigte eindrucksvoll, wie wichtig Grundlagenforschung ist und wie die Erkenntnisse des Nobelpreisträgers dazu beigetragen haben, dass heute alle Maßeinheiten, die im Internationalen Einheitensystem festgelegt sind, auf physikalische Konstanten zurückzuführen sind. Zahlreiche Fragen im Anschluss an den Vortrag zeugten vom großen Interesse des Publikums an den Erfahrungen des Nobelpreisträgers, der auch noch erklärte, wie das neue Kilogramm experimentell realisiert werden kann – unter anderem durch die Herstellung einer speziellen Silizium-Kugel.
Zur Initialzündung
Der schwedische Chemiker Alfred Nobel, Erfinder des Dynamits und Stifter des Nobelpreises, experimentierte in den 1860er-Jahren unter anderem in Dortmund-Dorstfeld auf der dortigen Zeche Dorstfeld mit Sprengstoff im Bergbau. Um Nitroglyzerin mit größerer Sicherheit sprengen zu können, entwickelte er 1863 die sogenannte Initialzündung. In Anlehnung an diese Experimentierphase Nobels in Dortmund trägt die Vortragsreihe den Titel „Initialzündung“. Unterstützt wird die Reihe von der Wilo-Foundation. Zu Gast waren bisher Prof. Frances Arnold (Nobelpreis für Chemie 2018), Prof. Erwin Neher (Nobelpreis für Medizin 1991), Prof. Benjamin List (Nobelpreis für Chemie 2021), Prof. Reinhard Genzel (Nobelpreis für Physik 2020) und Dr. Irina Scherbakowa (Friedensnobelpreis 2022 für die Menschenrechtsorganisation Memorial).