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Spotlight Forschung: Prof. Renée Tribble über Planung und Durchführung von Citizen-Science-Projekten

„Es geht um Forschung auf Augenhöhe mit der Zivilgesellschaft“

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Ein Porträt von einer Frau in dunkler Kleidung und mit Brille. © Felix Schmale​/​TU Dortmund
Renée Tribble ist seit 2021 Professorin an der Fakultät Raumplanung.

Prof. Dr. Renée Tribble erforscht an der Fakultät Raumplanung Fragen der Teilhabe und kooperativen Stadtentwicklung. Dabei verfolgt sie den Ansatz, zivilgesellschaftliche Akteure möglichst früh und umfassend in ihre Projekte einzubeziehen. Im Interview spricht sie über die Chancen und Herausforderungen von Forschung mit Bürgerpartizipation.

Frau Prof. Tribble, womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?

Ich interessiere mich besonders für die Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen und kommunalen Akteuren angesichts der Herausforderungen, die eine gesellschaftliche und ökologische Transformation mit sich bringt. Wir alle kennen die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, aber welche Auswirkungen haben diese auf die Praxis? Wie lässt sich beispielsweise eine Stadt umgestalten, um nachhaltiger oder inklusiver zu werden? Ich glaube, das geht nur unter Einbezug aller gesellschaftlicher Schichten. Ein weiterer wichtiger Aspekt für mich ist das Erfahrungswissen innerhalb von Planungsprozessen: Wie und von wem wird dieses erworben, wie wird es weitergegeben und welche Wirkung hat es wiederum auf die Prozesse selbst? Das ist eigentlich ein Kern unserer Disziplin, aber häufig nicht selbst Gegenstand von For­schungs­pro­jekten

In vielen Ihrer Projekte finden sich Ansätze von „Citizen Science“ – was bedeutet das eigentlich?

Ich verbinde mit dem Begriff eine Forschung mit der Zivilgesellschaft auf Augenhöhe. Es geht darum, zivilgesellschaftliche Akteure nicht nur als Gegenstand der Forschung zu betrachten, sondern sie aktiv in den Prozess einzubinden, idealerweise von der Formulierung der Forschungsfrage bis hin zu den Ergebnissen, der möglichen Umsetzung und Evaluation. Wie gut oder schlecht das funktioniert, hängt natürlich mit der Fragestellung und der Perspektive zusammen, aus denen sich dann methodische Ansätze ergeben. Recht üblich ist Citizen Science etwa bei der Erhebung von Daten oder als Teil eines sogenannten Reallabors: Dabei werden reale Prozesse, Akteure oder Strukturen im Hinblick auf die Forschungsfragen untersucht, gleichzeitig jedoch auch durch den Forschungsprozess selbst beeinflusst. Denn im Gegensatz zu einem klassischen Labor lassen sich hier keine Experimente mit gleichem Versuchsaufbau immer wieder auf den Startpunkt zurückdrehen. Die notwendige Ergebnisoffenheit und Flexibilität macht es manchmal herausfordernd, solche Ansätze gegenüber externen Gutachter*innen zu vermitteln. Denn eine genaue Darstellung von Abläufen, Arbeitsaufwand und methodischen Schritten ist bei partizipativen Ansätzen im Vorfeld nicht immer möglich. Andererseits sind solche Herangehensweisen der Stadt- und Raumplanung aber im Prinzip inhärent: Unser Fokus liegt auf dem Alltagsraum der darin lebenden Menschen und selbst Planungen auf dem Papier greifen den realen Raum auf und irgendwann in diesen ein.

Was braucht es, um verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Interessen in gemeinsame Planungen einzubeziehen?

Meiner Erfahrung nach ist es am einfachsten, wenn sich alle darin einig sind, gegen etwas zu sein. Schwieriger wird es bei konstruktiven Konfliktlösungsansätzen, vor allem wenn sowohl verschiedene wissenschaftliche Disziplinen als auch Akteure außerhalb der Forschung zusammenarbeiten. Das ist bei Stadt- und Quartiersentwicklung ziemlich häufig der Fall. Wenn man zumindest ähnliche Ziele verfolgt, ist das natürlich gut – dann arbeiten oft auch Architekt*innen, Künstler*innen und Stadtplaner*innen partizipativ zusammen. Die Herausforderungen kommen, wenn es um notwendige Freiräume, Zeiträume und verbindliche Zusagen geht – dann stehen plötzlich viele Bedenken im Weg. Aber es gibt einige spannende Ansätze zur Gestaltung von Trialogen zwischen Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft, mit denen man solchen Problemen begegnen kann. Ich hoffe, mit meiner Forschung dazu beizutragen, dass wir in Zukunft weitere Wege finden, die Stadt- und Raumplanung diverser, niederschwelliger und partizipativer zu gestalten.

 

Zur Person

  • 1998-2005 Studium der Architektur, Bauhaus-Universität Weimar
  • 2008-2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin, HafenCity Universität Hamburg
  • seit 2014 Gesellschafterin PlanBude Hamburg Außen GbR
  • 2017-2019 diverse Lehraufträge, HafenCity Universität Hamburg
  • seit 2016 Leitung des Planungsbüros Renée Tribble CONST*ELLATIONS, Hamburg
  • seit 2020 Gesellschafterin projektbüro, Hamburg
  • 2019-2021 Gastprofessorin, Universität Kassel
  • 2021 Promotion, HafenCity Universität Hamburg
  • 2021 Professorin für Planungstheorie und -methodik, TH Ostwestfalen-Lippe
  • seit 2021 Professorin am Fachgebiet Städtebau und Bauleitplanung, TU Dortmund

 

Weiterführende Informationen:

Drittmittelberatung des Referats Forschungsförderung der TU Dortmund
EU-Online-Plattform zum Austausch von Wissen und Ressourcen zu Citizen-Science-Projekten inklusive Projektdatenbank
Zentrale Plattform für Citizen Science in Deutschland (gefördert durch das BMBF)

 

Alle Interviews der Reihe Spotlight Forschung:
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