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Memorandum

Frühkindliche Bildung stärken

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Foto: Eine Person steht im Gang einer Bibliothek zwischen Bücherregalen. © Hesham Elsherif​​/​​TU Dortmund
Prof. Nina Hogrebe ist seit 2023 Professorin für Bildung und Erziehung in der Kindheit an der TU Dortmund.
Die Qualität der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung legt den Grundstein für die weiteren Bildungs- und Entwicklungschancen von Kindern, für ihre soziale Teilhabe und für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Mit einem Memorandum haben kürzlich vier Professor*innen wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für Politik und Verwaltung vorgelegt. Das Team zeigt auf, wie die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen aktuell und zukünftig bildungs- und sozialpolitisch ausgestaltet werden sollten, um positive Lebensbedingungen für Kinder und ihre Familien zu fördern und das demokratische Miteinander zu stärken. Im Interview spricht Prof. Nina Hogrebe, Autorin des Memorandums und Professorin an der Fakultät Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bildungsforschung der TU Dortmund, über das von mehr als 350 Akteur*innen aus Wissenschaft und Praxis mitgetragene Papier.

Was hat Sie dazu bewegt, das Memorandum zu veröffentlichen?

Es gibt nicht den einen, konkreten Anlass für das Memorandum. Vielmehr sind eine Vielzahl von Beobachtungen eingeflossen, die sich seit einiger Zeit abzeichnen. So erleben wir Bewegung im System mit politischen Neuausrichtungen. Auf Bundesebene wurde die Zuständigkeit für Bildung aus dem bisherigen Bildungsministerium herausgelöst und mit dem Familienministerium zum Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend zusammengeführt – ein Ressort, das nun für Kitas und Schulen gleichermaßen zuständig ist. In NRW steht aktuell die Revision des Kinderbildungsgesetzes an, wozu Anfang Dezember ein Entwurf vorgelegt wurde. All dies geschieht in Zeiten, in denen strukturelle Probleme wie Fachkräftemangel, Qualitätsfragen und Unterfinanzierung das Kita-System stark belasten und die politische Ausgestaltung des Systems beeinflussen. Zugleich verengt sich unserer Wahrnehmung nach der Diskurs zunehmend auf Aspekte von „Vermessung“ und Verpflichtung, zum Beispiel Sprachtests oder Kita-Pflicht, und eine schulvorbereitende Perspektive.

Welche Botschaft wollen Sie nun vermitteln?

Im Kern geht es darum, das ganzheitliche Bildungsverständnis der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung zu bewahren und die Eigenlogik des Handlungsfeldes zu verstehen und nicht (ausschließlich) andere Logiken an es heranzutragen. Kitas fördern soziale, emotionale, motorische, kognitive und sprachliche Fähigkeiten – nicht nur messbare Basiskompetenzen. Entscheidend sind qualifizierte Fachkräfte, stabile Bindungen und gute Interaktionen. Das erfordert eine Professionalisierung und gute Arbeitsbedingungen. Zudem müssen wir dafür sorgen, dass benachteiligte Kinder Zugang zu qualitativ hochwertigen Angeboten erhalten – das erreichen wir nicht mit einer Kita-Pflicht und den damit verbundenen Vorwürfen an Familien, sich unzureichend um die Bildung und Entwicklung ihrer Kinder zu sorgen.

Welche Erkenntnisse aus Ihrer eigenen Forschung sind in das Memorandum eingeflossen?

Ich forsche bereits seit vielen Jahren zu den strukturellen Ungleichheiten in der Kindertagesbetreuung. Dazu gehören Segregationsprozesse, die sich in sehr ungleichen Kita-Zusammensetzungen zeigen, zum Beispiel hinsichtlich des Anteils an Kindern aus Armut oder mit nicht-deutscher Familiensprache. Dazu gehören auch die Auswirkungen, die dies auf die Kinder, die Fachkräfte sowie unsere gesamte Gesellschaft hat. In meinen neueren Arbeiten wurde dabei deutlich, dass beispielsweise der Zugang zu einem Kita-Platz sehr komplex ist; der Bedarf muss rechtzeitig am Jugendamt angemeldet werden, gleichzeitig vergeben die Kitas und nicht das Jugendamt die freien Plätze. Und anders als im Schulsektor müssen sich Eltern selbst aktiv um einen Kitaplatz für ihr Kind bemühen. Bestimmte Familien können den Weg zu einem tatsächlichen Kita-Besuch besser navigieren als andere. Auch sind die Platzvergabeprozesse oftmals intransparent und nicht ungleichheitssensibel ausgestaltet.

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Über die Autor*innen

Das Memorandum wurde verfasst von Prof. Peter Cloos (Universität Hildesheim), Prof. Nina Hogrebe (TU Dortmund), Prof. Ina Kaul (Universität Kassel) und Prof. Rahel Dreyer (Alice Salomon Hochschule Berlin).

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