Neuartige Quantenmaterialien durchleuchtet
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Die Entwicklung neuer Technologien wie ultrakompakter Elektronik, hocheffizienter Solarzellen oder Quantencomputern ist eng mit der Entdeckung neuer Materialien verknüpft. Dabei sind in den vergangenen Jahren insbesondere zweidimensionale Kristalle ins Blickfeld der Forschung gerückt. Von diesen Schichtmaterialien lassen sich einzelne Atomlagen abziehen und – wie in einem mikroskopischen Lego-Baukasten – zu neuen künstlichen Strukturen stapeln, deren ungewöhnliche Quanteneigenschaften maßgeschneidert werden können. Um Materialkombinationen mit Anwendungspotenzial herstellen zu können, werden allerdings tiefgehende Kenntnisse ihrer elektronischen Eigenschaften benötigt.
Die entscheidende Rolle spielt dabei die Bandstruktur der Elektronen. Die Bandstruktur kann wie die DNA der Elektronen im Festkörper verstanden werden. So lässt sich aus ihren Eigenschaften schließen, ob ein neues Designermaterial elektrisch leitend ist oder nicht und ob es etwa für Solarzellen verwendet werden kann. Die derzeit gängigen Analysemethoden zur Bestimmung der elektronischen Struktur können jedoch meist nur schwer auf diese atomar dünnen Schichten angewendet werden. Zum einen sind deren Dimensionen meist zu klein dafür, zum anderen erfordert die genaue Untersuchung oft äußerst komplexe experimentelle Aufbauten.
Untersuchungen per Lichtblitz
In Kooperation haben nun die Arbeitsgruppen von Prof. Christoph Lange von der TU Dortmund und Prof. Rupert Huber von der Universität Regensburg mit den Gruppen von Prof. Stephan W. Koch von der Universität Marburg und Prof. Mackillo Kira von der University of Michigan, USA, eine Methode entwickelt, mit der die elektronische Struktur atomar dünner Materialien einfach und sprichwörtlich blitzschnell bestimmt werden kann. Die Idee des Experiments ist, zunächst unbeweglich im Festkörper gebundene Elektronen mithilfe eines ultrakurzen Lichtblitzes in das Leitungsband anzuregen. In diesem Teil der Bandstruktur des Festkörpers können sich die Elektronen frei bewegen.
Ein zweiter, intensiver Lichtblitz beschleunigt sie dann über weite Bereiche des Leitungsbandes. Dabei folgt die Bewegung der Elektronen – wie bei der Abfahrt eines Skifahrers auf einer Buckelpiste – der Form des Leitungsbandes. Dies führt dazu, dass ein dritter, schwacher Lichtblitz erzeugt wird, der den Forschern Aufschluss über die Bewegung der Elektronen im Kristall und damit über die zugrundeliegende Bandstruktur liefert.
„Spektrale Fingerabdrücke“
Die Wissenschaftler machen sich dabei die Welleneigenschaften von Elektronen zunutze, denn durch die lichtgesteuerte Bewegung können sich im Kristall stehende Elektronenwellen bilden. Diese stehenden Wellen besitzen ähnlich wie ein Kamm charakteristische Zinken und Lücken. Die Lokalisierung der Elektronen in den Zinken des Kamms ermöglicht es, die elektronische Struktur mit einzigartiger Präzision zu bestimmen. Dem Team um Prof. Kira und Prof. Koch ist es nun mittels einer maßgeschneiderten Theorie erstmals gelungen, diese „spektralen Fingerabdrücke“ direkt mit der elektronischen Struktur des Materials in Verbindung zu bringen. „Diese neuartige Methode eröffnet uns die Möglichkeit, die Bandstruktur neuer Quantenmaterialien zu untersuchen und viel zielgerichteter denn je nach neuartigen Quanteneffekten in maßgeschneiderten Materialien zu suchen“, erklärt Christoph Schmid von der Universität Regensburg, einer der beiden Erstautoren der Publikation.
Originalpublikation: M. Borsch, C. P. Schmid, L. Weigl, S. Schlauderer, N. Hofmann, C. Lange, J. T. Steiner, S. W. Koch, R. Huber, M. Kira, „Super-resolution lightwave tomography of electronic bands in quantum materials“, Science (2020). DOI: 10.1126/science.abe2112
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