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Neue Emmy Noether-Nachwuchsgruppe in der Wissenschaftsphilosophie

Künstliche Intelligenz philosophisch verstehen

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Portrait eines Mannes in hellem Hemd vor einem Baum © Hesham Elsherif​/​TU Dortmund
JProf. Florian Boge von der Fakultät Humanwissenschaften und Theologie leitet eine neue Emmy Noether-Nachwuchsgruppe.

Eine neue Emmy Noether-Gruppe in der Wissenschaftsphilosophie forscht zu der Frage, wie Künstliche Intelligenz (KI) die Forschung beeinflusst. Unter der Leitung von JProf. Florian Boge vom Institut für Philosophie und Politikwissenschaft der Fakultät Humanwissenschaften und Theologie arbeitet die interdisziplinäre Gruppe auch mit der Teilchenphysik und dem Lamarr-Institut für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz zusammen. Das Forschungsvorhaben mit dem Titel „UDNN: Scientific Understanding and Deep Neural Networks“ erhält seit diesem Sommersemester die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Höhe von circa 700.000 Euro für die ersten drei Jahre, ein Kick-Off-Event ist für den Winter geplant.

Die Gruppe um JProf. Boge konzentriert sich auf Deep Neural Networks (DNNs) – tiefe neuronale Netzwerke –, die im Bereich des Maschinellen Lernens eingesetzt werden, zum Beispiel bei Programmen wie ChatGPT. Es handelt sich dabei um komplizierte mathematische Funktionen, die man auch als grobe Imitation eines Gehirns bezeichnen könnte: Sie bestehen aus verschiedenen kleinen Einheiten und Schichten, die untereinander verknüpft sind und daher oft mit biologischen Neuronen verglichen werden. Mithilfe dieser Netzwerke wurden in den letzten Jahren bedeutsame Durchbrüche in der Forschung erzielt, beispielsweise in der Proteinstrukturbiologie: Das DNN AlphaFold2 von Googles DeepMind-Team etwa kann mittlerweile Proteinstrukturen auf Basis von Aminosäureketten vorhersagen, was menschlichen Forscher*innen zuvor 50 Jahre lang nicht gelungen war.

Eine neue Art des Verstehens

„Theoretisch können DNNs fast jede Aufgabe lösen – und damit können sie schon jetzt teilweise mehr als ein Mensch“, sagt Gruppenleiter Boge. „Das Problem ist, dass wir manchmal nicht nachvollziehen können, warum die DNNs etwas können und warum sie etwas auf eine bestimmte Weise tun.“ So sind die Netzwerke beispielsweise oft schneller, präziser und vor allem flexibler, als Forscher*innen es eigentlich erwarten. Um diese Prozesse nachzuvollziehen und zu verstehen, wie wichtig es ist, die KI transparenter zu machen, arbeiten die Forscher*innen der neuen Nachwuchsgruppe mit Modellen der Explainable Artificial Intelligence (XAI). Dafür folgen sie zwei wichtigen Fragestellungen: Wie lernen die DNNs und was lernen sie? Die Gruppe um JProf. Boge setzt ihren Fokus dabei auf den philosophischen Erkenntnisgewinn: „Das zentrale Ziel der Wissenschaft ist das Verstehen. Wir wollen erfahren, wie und warum etwas passiert und daraus Erkenntnisse ziehen, die wir an anderer Stelle einsetzen können“, so JProf. Boge.

Für die Wissenschaft bedeutet die KI also auch auf philosophischer Ebene einen Umbruch. „Wir dürfen nicht einfach blind weiterforschen und uns auf den Durchbrüchen der KI ausruhen, sondern müssen jeden Erfolg reflektieren“, betont Boge. „Wir müssen Wissenschaft neu verstehen und neu denken. Verstehen kann bedeuten, eine Erklärung zu bekommen. Es kann aber auch bedeuten, eine neue Orientierung, eine neue Struktur zu erhalten. Und das ist eine Sache, die Künstliche Intelligenz für uns tut: Sie gibt uns quasi eine Landkarte, mit deren Hilfe wir uns auf unbekanntem Terrain orientieren können. Wenn wir außerdem lernen, die KI selbst besser zu verstehen, kann sie uns aber zumindest auch bei unserer eigenen Suche nach wissenschaftlichen Erklärungen inspirieren. Das sind eben neue Arten des Verstehens, mit denen wir lernen müssen umzugehen.“

Zur Person

Seit diesem Sommer hat Florian Boge die Juniorprofessur für Wissenschaftsphilosophie mit dem Schwerpunkt Künstliche Intelligenz inne. Am Institut für Philosophie und Politikwissenschaft geht er nun seinen Hauptinteressen nach: die Auswirkungen von KI auf das wissenschaftliche Verständnis, wissenschaftlicher (Anti-)Realismus, die Philosophie der Modellierung und Simulation sowie die Grundlagen der Quantenphysik. Bevor er nach Dortmund kam, war er als Postdoc in der interdisziplinären DFG-Forschungsgruppe „The Epistemology of the Large Hadron Collider“ tätig, insbesondere im Teilprojekt „The Impact of Computer Simulations and Machine Leaning on the Epistemic Status of LHC Data“.

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