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Forschung am LHCb-Experiment

TU-Physiker vermessen seltene Zerfälle

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LHC-Tunnel: lange Röhre unter der Erde © Maximilien Brice​/​CERN
Am Teil­chen­be­schleu­ni­ger LHC werden in einer ringförmigen, rund 27 Kilometer langen Röhre unter der Erde Pakete von Protonen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht.

Am Large Hadron Collider (LHC), dem mächtigsten Teilchenbeschleuniger der Welt, untersuchen Forscher*innen aus aller Welt Zerfälle von Teilchen, die bei hochenergetischen Kollisionen von Protonen produziert werden. Zum äußerst seltenen Zerfall eines Bs-Teilchens in zwei Myonen hat die internationale LHCb-Kollaboration nun neue Erkenntnisse in gleich zwei renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht. Die Ergebnisse festigen das Standardmodell der Teilchenphysik. Von der TU Dortmund waren Prof. Johannes Albrecht von der Fakultät Physik und seine Doktoranden Titus Mombächer und Maik Becker an den Publikationen beteiligt.

Am LHC werden in einer ringförmigen, rund 27 Kilometer langen Röhre unter der Erde Pakete von Protonen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Dabei entstehen Milliarden von Elementarteilchen. Gigantische Detektoren zeichnen deren Spuren, ihre Energie und ihren Zerfall auf. Die Daten werden auch von den Dortmunder Physikern analysiert. Ziel ist es, mögliche Erweiterungen des Standardmodells der Teilchenphysik zu finden. Die nun veröffentlichte Messung basiert auf insgesamt sechs Jahren der Datenaufzeichnung am LHC zwischen 2011 und 2018. Sie beinhaltet damit die bisherigen Ergebnisse und fasst sie zusammen, bevor in diesem Jahr der LHC nach einem mehrjährigen technischen Stopp wieder gestartet wird und eine neue Periode der Datenaufzeichnung beginnt.

In den beiden Publikationen geht es um den Zerfall eines Bs-Teilchens, das aus einem Quark und einem Antiquark besteht, in zwei Myonen, also schwere Varianten des Elektrons. Gemäß dem Standardmodell dürften von einer Milliarde Bs-Teilchen nur etwa drei auf diese Weise zerfallen. Aus diesem Grund bedarf es sehr großer Datenmengen, um den Zerfall genau zu vermessen. Die LHCb-Kollaboration berichtet von der bis dato präzisesten Messung der Zerfallsrate durch ein einzelnes Experiment.

Die Forscher*innen bestimmten die relative Häufigkeit des Bs-Zerfalls und berechneten außerdem die obere Ausschlussgrenze für die Rate des Zerfalls anderer ähnlicher Teilchen – nämlich des B0-Mesons, das gemäß dem Standardmodell um den Faktor 30 kleiner ist, sowie einer verwandten Variante des Bs-Zerfalls, bei dem zusätzlich ein Photon abgestrahlt wird. „Es zeigte sich, dass innerhalb der erreichten Präzision alle Messungen mit dem Standardmodell kompatibel sind“, fasst Prof. Albrecht die Ergebnisse zusammen. „Damit werden die Möglichkeiten für Erweiterungen des Standardmodells stark eingeschränkt.“

Zwei Männer stehen in einem Forschungslabor nebeneinander. © Felix Schmale​/​TU Dortmund
Von der TU Dortmund waren Prof. Johannes Albrecht (l.) von der Fakultät Physik und seine Doktoranden Titus Mombächer und Maik Becker (r.) an den Publikationen beteiligt.

Innerhalb der LHCb-Kollaboration wurde die Messung in einem großen Team mit Forschenden aus Deutschland, England, Italien, den Niederlanden und der Schweiz durchgeführt. Die Dortmunder Arbeitsgruppe von Prof. Johannes Albrecht hat in den vergangenen neun Jahren wesentliche Beiträge zur aktuellen und zu vorherigen Messungen dieser Zerfälle geleistet. Die aktuellen Erkenntnisse sind den Fachzeitschriften Physical Review Letters und Physical Review D erschienen. Beide Artikel wurden von den Journalen als „Editors’ Suggestion“, also als Vorschlag der Redaktion, ausgezeichnet.

Zu den Publikationen:

Physical Review Letters

Physical Review D

 

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