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100 Tage Corona

Should I stay or should I go?

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Collage mit Fotos von einer jungen Frau und einem jungen Mann. © Sarah Fromme und Marcel Karas
Auslandssemester während der Corona-Pandemie: Die TU-Studierenden Sarah Fromme und Marcel Karas berichten über ihre besondere Zeit in den USA.

Was tun, wenn während des Auslandssemesters eine globale Pandemie ausbricht? Zwei TU-Studierende mit Reiseziel USA berichten: Eine, die ihren Aufenthalt abbrach – und einer, der sich entschied, zu bleiben.

Eine neue Kultur kennenlernen, internationale Freunde finden, über den Tellerrand schauen: Ein Auslandsaufenthalt während des Studiums ist für viele Studierende eine ganz besondere Zeit. Die wollte auch Sarah Fromme erleben: Die 23-Jährige studiert im 4. Bachelor-Semester Erziehungswissenschaften an der TU Dortmund. Anfang Januar begann ihr Semester an der Lenoir-Rhyne University im US-Bundesstaat North Carolina. Zu dem Zeitpunkt war die Coronakrise in Deutschland noch fern. In den Nachrichten waren lediglich erste Meldungen von einer neuen Lungenkrankheit zu lesen, die in der chinesischen Großstadt Wuhan beobachtet wurde.

Der Campus der Lenoir-Rhyne University.

„Mein Start an der Universität war sehr herzlich“, berichtet Fromme. Die Lenoir-Rhyne University ist eine kleine Hochschule mit 2700 Studierenden. „Hier kennt jeder jeden. Ich war eine von nur drei Austauschstudierenden in dem Semester und wurde direkt überall mit eingebunden.“ Vom neuartigen Coronavirus erfuhr Fromme zum ersten Mal über Videotafeln in der Mensa, auf denen auch Nachrichten angezeigt wurden. „Die ganze Tragweite der Situation wurde mir dennoch erst später bewusst: Als US-Präsident Donald Trump am 11. März das Einreiseverbot von EU-Bürgerinnen und Bürgern in die USA ankündigte.“

„Die Straßen waren leer, alles war geschlossen“

Zu dem Zeitpunkt hatte ein anderer TU-Student seinen Aufenthalt in den USA gerade erst begonnen. Marcel Karas ist 21 Jahre alt und studiert im 6. Bachelor-Semester Physik. Seine Vorlesungen an der Western Washington University in Bellingham, Washington, sollten Ende März anfangen. Vorher wollte er mit seiner Familie noch durch die USA reisen. „Natürlich haben wir überlegt, ob wir das so machen sollen oder nicht“, sagt er. „Aber wir hatten schon alles gebucht und wären auf den Kosten sitzengeblieben.“ Karas und sein Bruder reisten am 2. März in die USA, seine Eltern folgten eine Woche später am 9. März. Wenige Tage später galt bereits das von Trump erlassene Einreiseverbot.

Die Familie besuchte verschiedene Nationalparks im US-Bundesstaat Kalifornien. Durch die Abgeschiedenheit in der Natur bekam sie die Auswirkungen der Coronakrise nur indirekt durch Nachrichten von Freunden und Familie aus Deutschland mit. Erst als die vier nach San Francisco kamen, spürten sie die Veränderung: „Die Straßen waren leer, alles war geschlossen. Wir sind mehrere Tage nur im Hotel geblieben.“ Hier musste Marcel Karas eine Entscheidung treffen: Sein Auslandssemester antreten – oder mit seiner Familie nach Deutschland zurückkehren?

Marcel Karas reiste vor Beginn des Auslandssemesters durch die USA.

„Ich hatte viel Kontakt zum International Office der Western Washington University und zum Referat Internationales der TU Dortmund“, sagt Karas. „Im Staat Washington waren schon früh Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie getroffen worden, die Infektionszahlen waren sehr niedrig. Daher entschloss ich mich, zu bleiben.“

Campus in North Carolina schloss Mitte März

Auch Sarah Fromme machte sich viele Gedanken. Das Semester in North Carolina sollte regulär bis zum 6. Mai gehen, danach wollte sie noch einige Wochen durch die USA reisen. „Mir war klar, dass die Pandemie nicht in wenigen Wochen vorbei wäre“, sagt sie. Ob sie zu einem späteren Zeitpunkt noch problemlos nach Deutschland zurückkehren könnte, war ungewiss. Mitte März schloss dann der Campus der Lenoir-Rhyne University, alle Veranstaltungen fanden ausschließlich online statt. „Und ich wusste, dass meine Reisepläne im Juni höchstwahrscheinlich auch nicht klappen würden. Also entschied ich, nach Deutschland zurückzukehren.“

Dabei hatte sie Glück: Sie erwischte den letzten Direktflug von Washington D.C. nach Frankfurt am Main. Nach ihrer Rückkehr begab sich Fromme in eine zweiwöchige Quarantäne und vermied auch danach soziale Kontakte. „Es war für mich sehr schwierig, meine Eltern und Freunde nicht treffen zu können – schließlich hatte ich sie alle seit Jahresbeginn nicht gesehen“, erzählt sie. Für Ablenkung sorgten nun gleich beide Universitäten: Fromme nahm weiterhin an den Online-Veranstaltungen der Lenoir-Rhyne University teil, meldete sich aber gleichzeitig auch für Online-Veranstaltungen der TU Dortmund an.

Tiefe Freundschaften – trotz Corona

Für Marcel Karas begannen die Vorlesungen an der Western Washington University mit einer Woche Verzögerung. Die O-Woche für Austauschstudierende fiel leider aus, der Unterricht fand von Anfang an komplett digital statt. Dadurch, dass wegen der Coronakrise viel weniger Austauschstudierende als sonst an der Universität sind, ergeben sich auch kuriose Situationen: „In einem Sprachkurs bin ich der einzige Teilnehmer“, erzählt Karas. „Das ist natürlich schon ziemlicher Luxus.“ Ebenso wie Sarah Fromme belegt er parallel Online-Lehrveranstaltungen an der TU Dortmund.

Der Campus der Western Washington University.

Mittlerweile konnte Karas trotz Online-Semester und Abstandsregelungen soziale Kontakte knüpfen: Durch seine drei Mitbewohner oder durch Hochschulvereine, die Online-Meetings abhalten. „Alle sind sehr freundlich und offen“, sagt er.

Durch die aktuelle Lage seien die neuen Freundschaften von einer ganz  besonderen Qualität: „Ich habe mit den wenigen Leuten, die ich kenne, sehr intensiven Kontakt. Wir halten nicht nur Small Talk, sondern reden zum Beispiel auch viel über Politik. Ich erfahre sehr viel über ihre Kultur und ihre Ansichten.“

Dennoch hat er auch mit den negativen Auswirkungen der Coronakrise zu kämpfen. Seine im Anschluss ans Semester geplante Reise durch Kanada kann nicht mehr stattfinden und sein Rückflug von Vancouver nach Deutschland wurde gestrichen. Aktuell versucht er, einen Ersatzflug zu finden.

Sarah Fromme hat in der Zwischenzeit ihr US-Semester mit sehr guten Noten abgeschlossen. Sie findet es sehr schade, dass sie wegen der Coronakrise so früh abreisen musste: „Die Plätze in den Übersee-Programmen sind sehr begehrt und für mich war es ein großes Glück, dass ich einen bekommen hatte.“ Sie hofft, dass sie vielleicht im Master noch mal ins Ausland kann. „Ob es dann aber wieder die USA werden, weiß ich nicht.“