„Ich hatte das Gefühl, mir wird die Welt aufgeschlossen“
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Warum sind Sie damals an die TU Dortmund gekommen?
Ich wusste früh, dass ich Mathematik und Physik studieren möchte – zwei Fächer, die an vielen Universitätsstandorten vertreten sind. Da ich aus einem Haushalt komme, der durchaus über das Geld für das Studium nachdenken musste, war klar: Die Uni muss in Pendeldistanz von Hamm, meinem damaligen Zuhause, sein.
Der Campus hat mich angesprochen, sah nett aus. Dann ist meiner Mutter, die mich auf der Erkundung begleitet hat, und mir noch ein freundlicher Mensch auf dem Campus begegnet und schon war mein Herz gewonnen. Und tatsächlich habe ich die Entscheidung zu keiner Zeit bereut.
Wie hat Ihr Studium Ihren Lebens- und auch Karriereweg geprägt?
Es ist eine großartige Basis für Vieles gewesen. Tatsächlich hat sich die Mathematik schnell als gute Entscheidung erwiesen, von der Physik habe ich dann in die Volkswirtschaftslehre gewechselt. Aus heutiger Perspektive würde ich sagen, dass mich das systemische Element an beiden Wissenschaften gereizt hat. Die VWL war am Ende die erste Wahl, weil mir die Menschen näher waren als die Teilchen, um es etwas platt zu sagen. Die Uni bot eine Umgebung, in der ich mich intellektuell wirklich herausgefordert gefühlt habe. Es gab viel Input, ich bekam die Möglichkeit, mich zu entfalten, und habe lange haltende Freundschaften geknüpft.
Ich stand am Ende des Grundstudiums, als Prof. Wolfgang Leininger nach Dortmund kam, bei dem ich später auch promoviert habe. Er hat Vorlesungen so gehalten, dass ich das Gefühl hatte, mir wird die Welt aufgeschlossen. Also genau so, wie ich es mir selber für meine Studierenden wünsche. Das hat mich total gefesselt. So bin ich nach dem Studium in Dortmund geblieben und habe im Bereich VWL promoviert.

Haben Sie eine ganz besondere Erinnerung an Ihre Zeit an der TU Dortmund – im Studium, in der Forschung oder privat?
Ich habe meinen Mann an der Uni kennengelernt – das überragt natürlich alles. Wir haben uns bei einem Tanzkurs beim Hochschulsport kennengelernt, genauso wie man es sich vorstellt. Überhaupt war die Tanzgruppe für mich wichtig. Es gab zweimal im Jahr Tanzturniere mit Tänzer*innen aus ganz Deutschland und später aus den Niederlanden, immer an einer anderen Uni. Dortmund war da sehr aktiv. Wir haben auch einmal ein Turnier in Dortmund organisiert – daran erinnere ich mich noch gerne zurück.
Auf das Studium bezogen war es auch prägend, dass es zu Beginn meines Studiums in der Mathematik, als ich anfing zu studieren, nur eine einzige Assistentin und keine Professorin gab. Auch unter den Studierenden gab es wenige Frauen. Das hat mich insofern geprägt, als ich früh gelernt habe, wie eine männlich geprägte Arbeitswelt funktioniert. Das war schon ein wichtiger Eindruck. Dieses soziale Umfeld mit wenig anderen Frauen, das wünsche ich den jungen Frauen heute anders. Es waren tolle Professoren, jeder für sich ein super Kerl, aber als Gruppe einfach zu homogen.
Sie sind Vizepräsidentin für Universitätskultur und Qualitätsentwicklung an der Philipps-Universität Marburg – hätten Sie zu Beginn Ihres Studiums gedacht, dass Sie so einen Job mal machen würden?
Überhaupt nicht, nein. Mich hat Wissenschaft interessiert, ich wollte gerne forschen. Doch es gab kaum Vorbilder für Mädchen und Frauen – das habe ich schon in der Schule gemerkt, wo ich eines der wenigen Mädchen war, das Mathe und Physik als Leistungskurse gewählt hatte. Selbst Lise Meitner wurde damals in den Schulbüchern der Physik nicht genannt. Unser Physiklehrer war eine große Unterstützung und schrieb mit uns deswegen sogar einen Brief an Schulbuchverlage. Ich habe mich mit Meitners Arbeit beschäftigt und so ist diese Frau ein Vorbild für mich geworden. Von daher hatte ich schon immer das Gefühl, ich möchte gerne Wissenschaft machen.
Ihr wird der Satz zugeschrieben, dass ihr Leben nicht immer leicht sein müsse, wenn es nur spannend wäre. Das war für mich ein unglaublicher Motivator.
Für Professorinnen gab es kein role model, das war sehr weit weg. Aber wenn ich mich getraut hätte, das innerlich so zu formulieren, hätte ich schon gesagt, dass Wissenschaftlerin ein Beruf ist, den ich mir wünsche. Hochschulleitung ist natürlich etwas, das man sich nicht ausmalt als Studierende.
Haben Sie Tipps für Studierende, die jetzt ins Studium starten?
Ja. Macht keine Kompromisse mit euch selbst, studiert, worauf ihr Lust habt, und lasst euch nicht von dem beeindrucken, was andere sagen – zum Beispiel, dass man mit dem Abschluss keinen Job findet. Hört in euch hinein, was eure Leidenschaft ist, macht das. Guckt außerdem rechts und links über den Tellerrand und macht mal etwas ganz Verrücktes, was nicht zu eurem Fach passt.
Wir wissen ja nicht, wie der Arbeitsmarkt in zehn Jahren aussieht. Diejenigen, die heute anfangen zu studieren, sind jetzt 18 oder 19. Diese Generation wird voraussichtlich arbeiten, bis sie 70 ist, das sind noch über 50 Jahre. Wenn wir von heute aus 50 Jahre zurückgehen und die IT anschauen: Da wurde mit Lochkarten oder Magnetbändern gearbeitet – Big Data hätte sich niemand vorstellen können.
Der technologische Wandel ist seither durchgehend schnell und mit ihm die gesellschaftliche Veränderung. Wir wissen also nicht, für welche Gesellschaft sich die jungen Leute, die heute an der Uni sind, bilden. Das heißt für mich, sie sollten sich so bilden, dass sie immer weiter lernen können und neugierig bleiben.
Mit der Neugier gilt dann auch: Das Studium ist einfach eine tolle Zeit.
Das stimmt und vor allen Dingen ist es toll, dass sie mit Dortmund und eben der Zeit hier an der Universität einfach viel Gutes verbinden.
Absolut. Die Uni ist ein Zuhause – bis heute. Ich bin gar nicht in Dortmund aufgewachsen, sondern in Bochum geboren, in Hamm aufgewachsen und erst zum Studium nach Dortmund gegangen. Trotzdem ist Dortmund der Ort, über den ich sage: „Da ist Zuhause“. Eigentlich ist das das ganze Ruhrgebiet. Ich fahre gerne mit Freundinnen ins Ruhrgebiet, weil ich ihnen zeigen will, wie schön das alles ist – vor allem, wie klasse die Leute hier sind.
