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Alumni im Porträt

„Ich hatte das Gefühl, mir wird die Welt aufgeschlossen“

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Porträt Evelyn Korn © Rolf K. Wegst

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr. Evelyn Korn studierte von 1988 bis 1994 an der Universität Dortmund und promovierte dort im Jahr 1999. 2004 wurde sie an der Universität Tübingen habilitiert und erhielt im gleichen Jahr einen Ruf an die Philipps-Universität Marburg als Professorin für Mikroökonomie. Seit dem 18. Februar 2022 ist sie dort Vizepräsidentin für Universitätskultur und Qualitätsentwicklung, zuvor war sie von 2016 bis 2022 Vizepräsidentin für Studium und Lehre. Seit 2020 ist sie darüber hinaus Vorstand Wissenschaft der neu gegründeten Stiftung Innovation in der Hochschullehre. Im Interview erzählt sie, wie sie die Studienzeit in Dortmund erlebte, was die TU Dortmund ihr auch heute noch bedeutet, und warum Neugierde eine ganz wichtige Eigenschaft ist.

Warum sind Sie damals an die TU Dortmund gekommen?

Ich wusste früh, dass ich Mathematik und Physik studieren möchte – zwei Fächer, die an vielen Universitätsstandorten vertreten sind. Da ich aus einem Haushalt komme, der durchaus über das Geld für das Studium nachdenken musste, war klar: Die Uni muss in Pendeldistanz von Hamm, meinem damaligen Zuhause, sein.

Der Campus hat mich angesprochen, sah nett aus. Dann ist meiner Mutter, die mich auf der Erkundung begleitet hat, und mir noch ein freundlicher Mensch auf dem Campus begegnet und schon war mein Herz gewonnen. Und tatsächlich habe ich die Entscheidung zu keiner Zeit bereut.

Wie hat Ihr Studium Ihren Lebens- und auch Karriereweg geprägt?

Es ist eine großartige Basis für Vieles gewesen. Tatsächlich hat sich die Mathematik schnell als gute Entscheidung erwiesen, von der Physik habe ich dann in die Volkswirtschaftslehre gewechselt. Aus heutiger Perspektive würde ich sagen, dass mich das systemische Element an beiden Wissenschaften gereizt hat. Die VWL war am Ende die erste Wahl, weil mir die Menschen näher waren als die Teilchen, um es etwas platt zu sagen. Die Uni bot eine Umgebung, in der ich mich intellektuell wirklich herausgefordert gefühlt habe. Es gab viel Input, ich bekam die Möglichkeit, mich zu entfalten, und habe lange haltende Freundschaften geknüpft.

Ich stand am Ende des Grundstudiums, als Prof. Wolfgang Leininger nach Dortmund kam, bei dem ich später auch promoviert habe. Er hat Vorlesungen so gehalten, dass ich das Gefühl hatte, mir wird die Welt aufgeschlossen. Also genau so, wie ich es mir selber für meine Studierenden wünsche. Das hat mich total gefesselt. So bin ich nach dem Studium in Dortmund geblieben und habe im Bereich VWL promoviert.

Evelyn Korn und ihr Mann tanzen © Privat
Schon damals begeisterten die Tanzkurse des Hoch­schul­sports – bestes Bei­spiel Evelyn und Olaf Korn

Haben Sie eine ganz be­son­de­re Erinnerung an Ihre Zeit an der TU Dort­mund – im Stu­di­um, in der For­schung oder privat?

Ich habe meinen Mann an der Uni kennengelernt – das überragt na­tür­lich alles. Wir haben uns bei ei­nem Tanzkurs beim Hoch­schul­sport kennengelernt, genauso wie man es sich vorstellt. Überhaupt war die Tanzgruppe für mich wich­tig. Es gab zweimal im Jahr Tanzturniere mit Tänzer*innen aus ganz Deutsch­land und später aus den Nie­der­lan­den, immer an einer anderen Uni. Dort­mund war da sehr aktiv. Wir haben auch einmal ein Turnier in Dort­mund or­ga­ni­siert – daran erinnere ich mich noch gerne zu­rück.

Auf das Stu­di­um bezogen war es auch prägend, dass es zu Beginn meines Stu­di­ums in der Mathe­matik, als ich anfing zu stu­die­ren, nur eine einzige Assistentin und keine Professorin gab. Auch unter den Stu­die­ren­den gab es wenige Frauen. Das hat mich insofern geprägt, als ich früh gelernt habe, wie eine männlich geprägte Arbeitswelt funk­ti­o­niert. Das war schon ein wich­ti­ger Eindruck. Dieses soziale Umfeld mit wenig anderen Frauen, das wünsche ich den jungen Frauen heute anders. Es waren tolle Pro­fes­soren, jeder für sich ein super Kerl, aber als Gruppe einfach zu homogen.

Sie sind Vizepräsidentin für Universitätskultur und Quali­täts­ent­wick­lung an der Philipps-Uni­ver­si­tät Marburg – hätten Sie zu Beginn Ihres Stu­di­ums gedacht, dass Sie so einen Job mal ma­chen würden?

Überhaupt nicht, nein. Mich hat Wis­sen­schaft in­te­res­siert, ich wollte gerne forschen. Doch es gab kaum Vorbilder für Mäd­chen und Frauen – das habe ich schon in der Schule gemerkt, wo ich eines der we­ni­gen Mäd­chen war, das Mathe und Physik als Leistungskurse gewählt hatte. Selbst Lise Meitner wurde damals in den Schulbüchern der Physik nicht genannt. Unser Physiklehrer war eine große Unter­stüt­zung und schrieb mit uns deswegen so­gar einen Brief an Schulbuchverlage. Ich habe mich mit Meitners Ar­beit be­schäf­tigt und so ist diese Frau ein Vorbild für mich geworden. Von da­her hatte ich schon immer das Gefühl, ich möch­te gerne Wis­sen­schaft ma­chen.

Ihr wird der Satz zugeschrieben, dass ihr Leben nicht immer leicht sein müsse, wenn es nur spannend wäre. Das war für mich ein unglaublicher Motivator.

Für Pro­fesso­rin­nen gab es kein role model, das war sehr weit weg. Aber wenn ich mich getraut hätte, das innerlich so zu formulieren, hätte ich schon gesagt, dass Wissenschaftlerin ein Beruf ist, den ich mir wünsche. Hoch­schul­lei­tung ist na­tür­lich et­was, das man sich nicht ausmalt als Stu­die­ren­de.

Haben Sie Tipps für Stu­die­ren­de, die jetzt ins Stu­di­um starten?

Ja. Macht keine Kompromisse mit euch selbst, studiert, worauf ihr Lust habt, und lasst euch nicht von dem beeindrucken, was andere sagen – zum Bei­spiel, dass man mit dem Abschluss keinen Job findet. Hört in euch hinein, was eure Leidenschaft ist, macht das. Guckt au­ßer­dem rechts und links über den Tellerrand und macht mal et­was ganz Verrücktes, was nicht zu eurem Fach passt.

Wir wissen ja nicht, wie der Ar­beits­markt in zehn Jah­ren aussieht. Diejenigen, die heute anfangen zu stu­die­ren, sind jetzt 18 oder 19. Diese Ge­ne­ra­ti­on wird voraus­sicht­lich ar­bei­ten, bis sie 70 ist, das sind noch über 50 Jahre. Wenn wir von heute aus 50 Jahre zurückgehen und die IT anschauen: Da wurde mit Lochkarten oder Magnetbändern gearbeitet – Big Data hätte sich niemand vorstellen kön­nen.

Der tech­no­lo­gi­sche Wandel ist seither durch­ge­hend schnell und mit ihm die gesellschaftliche Veränderung. Wir wissen also nicht, für wel­che Gesell­schaft sich die jungen Leute, die heute an der Uni sind, bilden. Das heißt für mich, sie sollten sich so bilden, dass sie immer weiter ler­nen kön­nen und neugierig bleiben.

Mit der Neugier gilt dann auch: Das Stu­di­um ist einfach eine tolle Zeit.

Das stimmt und vor allen Dingen ist es toll, dass sie mit Dort­mund und eben der Zeit hier an der Uni­ver­si­tät einfach viel Gutes verbinden.

Absolut. Die Uni ist ein Zuhause – bis heute. Ich bin gar nicht in Dort­mund auf­ge­wach­sen, sondern in Bo­chum geboren, in Hamm auf­ge­wach­sen und erst zum Stu­di­um nach Dort­mund ge­gan­gen. Trotzdem ist Dort­mund der Ort, über den ich sage: „Da ist Zuhause“. Eigentlich ist das das ganze Ruhr­gebiet. Ich fahre gerne mit Freundinnen ins Ruhr­gebiet, weil ich ihnen zei­gen will, wie schön das alles ist – vor allem, wie klasse die Leute hier sind.

Familie Korn steht auf einer Wiese © Privat
Alumni Prof. Dr. Evelyn Korn und Prof. Dr. Olaf Korn mit ihrem Sohn Johannes