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100 Tage Corona

Am Dirigentenpult der digitalen Lehre

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Porträt von Michael Stegemann © Nikolas Golsch​/​TU Dortmund
Mit der Corona-Krise musste auch Prof. Stegemann vom Institut für Musik und Musikwissenschaft auf die digitale Lehre umsteigen.

Immer wieder mal setzt sich Prof. Michael Stegemann während seiner Vorlesungen spontan ans Klavier und spielt eine kurze Sequenz. Das ist Alltag und gehört zum Handwerk, wenn man an der TU Dortmund im Fach Musik lehrt. Das Klavier ist das Prinzipalmedium. Musik, diese Kunst, Töne in bestimmter – geschichtlich bedingter – Gesetzmäßigkeit hinsichtlich Rhythmus, Melodie und Harmonie zu einer Gruppe von Klängen und zu einer stilistisch eigenständigen Komposition zu ordnen, ist doch vor allem eines, wenn sie wirken soll: live. Aber mit der Corona-Krise musste auch Prof. Stegemann vom Institut für Musik und Musikwissenschaft auf die digitale Lehre umsteigen.

„Große Sorgen, große Bedenken“, habe er gehabt, als es mit dem grassierenden Corona-Virus für die Studierenden plötzlich ein Betretungsverbot der Universitätsgebäude gab. Binnen kürzester Zeit musste Prof. Stegemann wie seine Kolleginnen und Kollegen seine Seminare und Vorlesungen auf digitale Formate umswitchen. „Meine Sorgen und Bedenken haben sich schnell zerstreut“, berichtet er. Mit Hilfe des Dekanats, des ITMC und des Rektorats funktioniert die digitale Lehre – „und das ist keine Selbstverständlichkeit, wie Erfahrungen meiner Kolleginnen und Kollegen von anderen Universitäten zeigen“, so Stegemann.

Keinen Ehrgeiz habe er, die digitale Lehre neu zu erfinden. Er setzt stattdessen beispielsweise auf Webex, um Vorlesungen mit bis zu 100 Studierenden abzuhalten. Einzelgespräche wickelt er über Zoom ab. Soweit die Technik.

Studierende erhalten vorab eine Hörliste

Aber da ist ja noch die Musik, bei Stegemann die Klassik. Er ist historischer Musikwissenschaftler. Mit seinen Arbeiten über den französischen Komponisten Camille Saint-Saëns, dessen Werk „Karneval der Tiere“ vielen bekannt ist, hat er sich international einen Namen gemacht. Wie transportiert er das Erlebnis Musik über das Internet zu seinen Studierenden? Die Web-Verbindung reicht für Sprache vielleicht aus, wird dem Klangvolumen einer klassischen Aufführung aber nicht gerecht.

In der Regel schickt er eine Woche vor der Veranstaltung seinen Studierenden eine Hörliste mit Links für die Musikstücke, die er in seinem Seminar oder in seiner Vorlesung ansprechen wird. Bis zu 20 dieser Musikbeispiele vor der Veranstaltung selbst hochzuladen und dann abzuspielen, überfordert das Datenvolumen. Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass  dieser Weg erfolgreich ist.

Also alles heile Welt am Dirigentenpult der digitalen Lehre? „So gut die Umstellung funktioniert, so ist sie doch nur ein Behelf, der Präsenzveranstaltungen nicht ersetzen kann“, meint Prof. Stegemann. Und er zählt auf, war dem Corona-Virus beim Institut für Musik und Musikwissenschaft schon zum Opfer gefallen ist: Die Arbeit der Chöre, der drei Orchester, der Big Band, Konzerte. „Jede Musik lebt vom gemeinsam machen“, sagt er. „Das ist das größte Defizit, das digitale Lehre nicht heilen kann.“