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Gendergerechtigkeit in Unternehmen

Was Frauen im Vorstand bewirken

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Zwei Frauen und ein Mann sind für eine Besprechung vor einem Flipchart versammelt. © luckybusiness​/​stock.adobe.com

JProf. Daniela Giménez Jiménez von der Fakultät Wirtschaftswissenschaften forscht zum Thema Gendergerechtigkeit in Unternehmen und untersucht, wie diese von Diversität in Leitungsgremien profitieren. Denn um langfristig erfolgreich zu sein, kommt es bei Unternehmen nicht nur auf den aktuellen ökonomischen Erfolg an, sondern auch auf Aspekte wie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung.

Um langfristig erfolgreich zu sein, kommt es bei Unternehmen nicht nur auf den aktuellen ökonomischen Erfolg an, sondern auch auf Aspekte wie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Dem Klischee nach sind Frauen im Vergleich zu Männern besser darin, auf die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen und der Umwelt zu achten. Handeln Unternehmen also sozialer und nachhaltiger, wenn in ihrem Vorstand mehr Frauen sitzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich JProf. Daniela Giménez von der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dortmund. Gemeinsam mit Kolleginnen aus Spanien und Italien hat sie fast 50 wissenschaftliche Studien analysiert, die den Einfluss von weiblichen Vorständen auf die soziale Leistung von Unternehmen untersucht haben.

„Tatsächlich sind viele Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass sich Frauen im Vorstand positiv auf die sogenannte Corporate Social Performance von Unternehmen auswirken“, berichtet sie. „Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil im Vorstand agieren typischerweise nachhaltiger, sozialer und transparenter als Unternehmen mit einem niedrigeren Frauenanteil im Vorstand.“ Eine der von Giménez analysierten Studien hat beispielsweise an über 500 kanadischen Unternehmen untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl weiblicher Vorstandsmitglieder und der Transparenz des Unternehmens bezüglich klimaschädlicher Emissionen gibt.

Eine Illustration zeigt drei Frauen und zwei Männer, die um einen Tisch versammelt diskutieren. Über dem Tisch schwebt der Umriss einer Glühbirne. © bizvector​/​stock.adobe.com
In diversen Teams bringen die Mitglieder unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen mit. Das erhöht das kreative Potenzial und ermöglicht innovative und nachhaltige Lösungsansätze.

Das Ergebnis: Unternehmen mit vielen Frauen im Vorstand legen ihre Treibhausgas-Emissionen typischerweise transparenter offen als Unternehmen mit geringem Frauenanteil im Vorstand. Eine weitere Studie hat festgestellt, dass Unternehmen mit vielen weiblichen Vorstandsmitgliedern eher eine Firmenpolitik pflegen, die die Bedürfnisse von lesbischen, schwulen und trans Personen berücksichtigt. „Obwohl Frauen in den meisten Vorständen noch in der Minderheit sind, gibt es also zahlreiche Hinweise, dass sie die soziale Leistung von Unternehmen auf vielfältige Weise beeinflussen“, sagt Giménez.

Neue Forschungsansätze erforderlich

Was den ökonomischen Erfolg angeht, sind die Ergebnisse dagegen weniger eindeutig. „Es wäre allerdings auch vermessen, anzunehmen, dass einzelne Veränderungen in der Geschlechterzusammensetzung der Vorstände messbare Unterschiede beim Gewinn erzeugen“, so Giménez. Zwar sei es grundsätzlich denkbar, dass ein einzelnes Vorstandsmitglied Entwicklungen anstößt, die dem Unternehmen hohe Gewinne oder Verluste bescheren, doch das sei sehr von dem jeweiligen Unternehmen und der jeweiligen Person abhängig und lasse sich kaum generalisieren. 

Überdies werden Entscheidungen üblicherweise gemeinsam von den Mitgliedern des Führungsteams getroffen. In diesem Zusammenhang ist eine wichtige Frage, wie viel Gehör Frauen überhaupt bei ihren männlichen Vorstandskollegen finden und inwieweit sie tatsächlich die Linie des Unternehmens mitbestimmen können. Laut Giménez liegt hier eine Schwäche vieler Studien: „Die meisten Erhebungen zählen lediglich, wie hoch der Frauenanteil ist und setzen diesen in Beziehung zu bestimmten Faktoren wie Nachhaltigkeit oder sozialer Verantwortung“, erklärt sie. „Dabei nehmen sie an, dass jede Frau einfach aufgrund ihres biologischen Geschlechts dem Klischee entsprechend besonderen Wert auf diese Aspekte lege und dies in die Unternehmenskultur einbringe.“

Im Juli 2022 gibt es laut einer Erhebung des Beratungsunternehmens EY in den börsennotierten Unternehmen insgesamt 101 weibliche Vorstandsmitglieder. Damit liegt der Anteil bei rund 14 Prozent.

Doch laut Giménez greift dieser Ansatz zu kurz. „Wir brauchen neue Forschungsansätze, die den tatsächlichen Einfluss von Frauen in Vorständen erheben“, sagt sie. Inwieweit entsprechen weibliche Vorstände tatsächlich Rollenklischees? Haben sie auf bestimmte Geschäftsentscheidungen größeren Einfluss als auf andere, etwa wenn das entsprechende Themenfeld eher einer „weiblichen“, sozialen Domäne zugeordnet wird? Welche Netzwerke haben weibliche Vorstandsmitglieder innerhalb und außerhalb des Unternehmens und wie wirkt sich das auf ihre Rolle im Vorstand aus? Diese und viele weitere Fragen sind laut Giménez bislang nur wenig erforscht.

Portrait von Merck-Chefin Bélen Garijo © picture alliance​/​dpa​/​Merck
Bélen Garijo wurde im Mai 2021 Vorstandsvorsitzende von Merck und damit die erste Frau, die alleine einen DAX-Konzern leitet.

Doch einzelne Studien haben schon interessante Hinweise geliefert und verdeutlichen die hohe Praxisrelevanz dieser Forschungsrichtung: „Es gibt bereits Erkenntnisse dazu, dass es eine bestimmte kritische Masse an Frauen im Vorstand geben muss, damit sie wirklich neue Sichtweisen einbringen und dem Unternehmen ihre eigene Prägung geben können“, berichtet Giménez. „Sind nur ein oder zwei Frauen im Vorstand, neben vielleicht acht Männern, neigt die Minderheit dazu, sich der Mehrheit anzupassen. In solchen Fällen verhalten sich auch die weiblichen Vorstandsmitglieder eher so, dass sie männlichen Rollenbildern entsprechen. Das verändert nichts im Unternehmen.“

Aus Giménez' Sicht sind Frauenquoten daher ein wichtiges Element, um die Diversität und Gendergerechtigkeit in Vorständen zu fördern und dafür zu sorgen, dass tatsächlich alle Vorstandsmitglieder ihr Potenzial einbringen können. „Wichtig ist in der Forschung allerdings, auf den Kontext zu achten, also auch die Gegebenheiten in dem jeweiligen Land einzubeziehen und zu beobachten, welche Effekte die Einführung einer Frauenquote hat“, sagt sie. Denkbar wäre beispielsweise, dass Frauen in Firmen, die von sich aus auf diverse Führungsteams achten, andere Chancen haben als in Firmen, die lediglich aufgrund von äußerem Druck durch eine gesetzlich vorgeschriebene Quote Frauen in den Vorstand berufen.

Diversität als Wert

Doch egal, ob durch Vorschriften oder Eigeninitiative: Jedes Unternehmen kann von einer hohen Diversität im Leitungsgremium profitieren, meint Giménez. Das bedeutet nicht, dass sie Frauen grundsätzlich für die besseren Führungskräfte hält. Vielmehr habe die Diversität an sich einen Wert. „Wenn ein Vorstand beispielsweise nur aus alten, weißen Männern besteht, haben alle die gleichen Denkmuster, die gleiche Perspektive, die gleichen Zielvorstellungen“, erklärt sie. „Damit können sie durchaus gut zusammenarbeiten und sicherlich auch wichtige Ziele erreichen, doch die Innovationskraft und Flexibilität ist gering.“ In einem diversen Team dagegen bringen die Mitglieder jeweils unterschiedliche Hintergründe und Erfahrungen mit, sind mit unterschiedlichen Personen vernetzt und haben unterschiedliche Sichtweisen auf unternehmerische und gesellschaftliche Herausforderungen. „Das erhöht das kreative Potenzial des Teams und ermöglicht, in neue Richtungen zu denken und innovative und nachhaltige Lösungsansätze zu finden“, so Giménez. Um dieses Potenzial ausschöpfen zu können, sei eine kompetente Person im Vorstandsvorsitz wichtig, sagt sie. „Je diverser die Gruppe ist, desto komplexer sind die Kommunikation und die Gruppendynamik. Das erfordert eine gute Leitung, die dafür sorgt, dass sich alle einbringen können und produktiv zusammenarbeiten.“

Vorbilder spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, welche Karrierewege sich ein junger Mensch vorstellen kann.

Damit solche Teams mit hoher Diversität in Zukunft eher die Regel als die Ausnahme sein werden, sind sowohl die Unternehmen selbst als auch Politik und Gesellschaft gefordert, meint Giménez. „Unternehmen sind ein Spiegel der Gesellschaft“, erklärt sie. In einer Gesellschaft, in der Frauen wirklich gleichberechtigt wären, ergäbe es sich von selbst, dass sie auch beruflich Führungspositionen wahrnähmen. Andersherum könnten Unternehmen mit weiblichen Führungskräften auch die Gesellschaft in Hinblick auf die Gendergerechtigkeit positiv beeinflussen. „Vorbilder spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, welche Karrierewege sich ein junger Mensch vorstellen kann“, sagt Giménez. „Weibliche Führungskräfte können Vorbilder und Mentorinnen für andere Frauen sein und ihnen so dabei helfen, ebenfalls höhere Positionen zu erreichen.“ Berufliche Netzwerke mit anderen Frauen können Arbeitnehmerinnen das Gefühl vermitteln, dass sie mit ihren Erfahrungen, Hoffnungen und Problemen nicht allein sind.

In einem großen Konferenzraum sitzen viele weiße Männer in Anzügen um mehrere Tische. An einem Rednerpult steht ein Mann neben der holländischen und der US-Flagge. © picture alliance​/​ANP
Chefs von Wirtschaftsunternehmen sind vornehmlich männlich und weiß: Fotos wie dieses, das 2019 während des Besuchs einer holländischen Wirtschaftsdelegation in Boston entstand, treiben die Debatte um Diversität in Unternehmen weiter voran.

Wie schwierig es ohne solche Netzwerke sein kann, hat Giménez selbst erlebt. Bevor sie sich ganz der Forschung gewidmet hat, hat sie in ihrem Heimatland Venezuela sowie in Spanien zunächst mehrere Jahre in der freien Wirtschaft gearbeitet – zum Teil als einzige Frau in einem männlich dominierten Team. „Das war oft nicht einfach“, erzählt sie. „Ich musste darum kämpfen, von meinen männlichen Kollegen ernst genommen zu werden, und musste in vielen Fällen mit unschönen Kommentaren und Verhaltensweisen umgehen.“ Diese Erfahrungen haben dazu beigetragen, dass sie sich in ihrer Forschung für die Gendergerechtigkeit in Unternehmen interessiert.

„Die Wissenschaft kann einen Beitrag dazu leisten, dass die Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes einen verstärkten Fokus auf Diversität legen und Wege finden, wie sich Diversität sinnvoll fördern lässt“, sagt sie. „Ich selbst habe erlebt, wie es nicht sein soll – und ich bin überzeugt: Das können wir besser machen! Das ist unsere Aufgabe für zukünftige Generationen.“

Text: Elena Bernard

Zur Person:

Daniela Giménez Jiménez ist seit 2021 Juniorprofessorin für Entrepreneurship an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dortmund. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften in Venezuela und Spanien und arbeitete mehrere Jahre in der Finanzwirtschaft. Von 2013 bis 2016 promovierte sie an der Universität Witten/Herdecke. In dieser Zeit absolvierte sie auch einen Forschungsaufenthalt an der Bentley University in Massachusetts. Ab 2017 forschte sie an der School of Management der TU München zur Nachhaltigkeit von Unternehmen. Mit diesem Thema beschäftigt sie sich auch an der TU Dortmund. Untrennbar mit der Nachhaltigkeit verbunden sind für sie auch Fragen der Gendergerechtigkeit in Unternehmen. Hier liegt ein weiterer ihrer Forschungsschwerpunkte.

Portrait von Daniele Giménez Jiménez © Felix Schmale​/​TU Dortmund

Dies ist ein Bei­trag aus der mundo, dem Forschungsmagazin der TU Dort­mund.

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