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Manipulation des Quantenvakuums

Prof. Christoph Lange dringt hinter den Schleier aus Nichts

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Portraitfoto von Prof. Lange. © Felix Schmale​/​TU Dortmund
Prof. Christoph Lange von der TU Dortmund forscht mit seinen internationalen Kollegen zum Thema Quantenvakuum.

Ein Team von Physikerinnen und Physikern um Prof. Christoph Lange von der TU Dortmund hat sich mit Aspekten des Quantenvakuums beschäftigt, also mit dem Nichts, wie es weltlich formuliert heißen könnte. Darüber berichtet das Team in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Photonics.

Bereits die Philosophen der Antike diskutierten das faszinierende Konzept des absoluten Nichts, das auch in die klassische Physik Einzug hielt. Die Quantenmechanik und ihre Feldtheorien jedoch räumen mit der Vorstellung dieser perfekten Leere auf. Sie beschreiben Teilchen und Licht anhand von Feldfunktionen, die stetigen Veränderungen unterliegen. Diese sogenannten Vakuumfluktuationen bedingen eine stetige Erzeugung und anschließende Vernichtung von Quanten auf sehr kurzen Zeitskalen und füllen den Raum mit einem schäumenden, brodelnden Bad virtueller Teilchen. Deren fundamentale Bedeutung für das Universum erstreckt sich vom ganz Kleinen – minimaler Verschiebungen atomarer Linienspektren – bis hin zum ganz Großen – dem Verdampfen schwarzer Löcher und der Struktur des Universums über Distanzen von Milliarden von Lichtjahren. Ungeachtet ihrer kritischen Rolle blieben Vakuumfluktuationen bislang jedoch unter Laborbedingungen nur schwer zugänglich.

Spezielle Halbleiterstrukturen

Das Forscherteam um Prof. Christoph Lange, seine Regensburger Kollegen Prof. Dominique Bougeard und Prof. Rupert Huber sowie Prof. Cristiano Ciuti von der Université de Paris haben nun einen entscheidenden Schritt zur Kontrolle dieser Quantenvakua gemacht. Hierfür stellten sie eine spezielle Halbleiterstruktur her, in der sich die Elektronen ungeahnt stark an das Lichtfeld von kleinen Antennen im sogenannten Terahertz-Spektralbereich (1 THz = 1012 Hz) koppeln.

Künstlerische Darstellung der Elektronenwellenfunktion, die von einer Decke aus virtuellen Photonen bedeckt ist. © J. Mornhinweg
Künstlerische Darstellung der Elektronenwellenfunktion (rot und gelb), die von einer Decke aus virtuellen Photonen bedeckt ist (blau).

Der extrem starke Austausch von Energie zwischen Licht- und Materiefeldern führt dazu, dass Vakuumfluktuationen des Lichtfeldes, also virtuelle Photonen, in der Struktur besonders dominant auftreten – selbst in kompletter Dunkelheit. „Der entscheidende Punkt ist, dass wir die Kopplung extrem schnell ausschalten“, erklärt Doktorandin Maike Halbhuber. Doktorand Joshua Mornhinweg ergänzt: „Besonders faszinierend sind außerdem die unerwarteten Nachschwingungen des Lichtfeldes beim Schalten.“ Das plötzliche Ausschalten der Lichtresonators entreißt den Elektronen die Decke aus virtuellen Photonen und enthüllt deren sonst unzugänglichen Quantenzustand. Durch die ausführliche Analyse dieser Oszillationen des kollabierenden Quantenvakuums konnte das Team bestätigen, dass das Ausschalten schneller als ein Zehntel eines Billionstels einer Sekunde abläuft – weit schneller als ein Zehntel der Oszillationsperiode der virtuellen Photonen.

Nächster Forschungsschritt bereits geplant

Als nächsten Schritt beabsichtigt die Forschergruppe, die virtuellen Photonen, die gemäß der Theorie beim Ausschalten des exotischen Zustandes frei werden, erstmalig direkt nachzuweisen. Damit sind die Möglichkeiten des Konzeptes aber noch nicht erschöpft, wie Prof. Lange erläutert: „Es ist denkbar, dass unsere Strukturen darüber hinaus vielfältige Möglichkeiten eröffnen, Kontrolle über neuartige Phänomene wie Quantenchemie in Resonatoren oder durch Vakuumfelder kontrollierte Supraleitung sowie elektronischen Transport zu erlangen.“ Neben Aspekten der Grundlagenforschung ermöglicht das Konzept der Forscherinnen und Forscher somit auch eine Reihe spannender Anwendungen.

Originalpublikation:

M. Halbhuber, J. Mornhinweg, V. Zeller, C. Ciuti, D. Bougeard, R. Huber, and C. Lange: “Non-adiabatic stripping of a cavity field from deep-strongly coupled electrons”, Nature Photonics (2020). DOI: 10.1038/s41566-020-0673-2
 

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