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100 Tage Corona

Laborforschung im Schichtsystem

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Porträt eines Mannes. © Sebastian Zühlke
Dr. Sebastian Zühlke: Er verantwortete die Hygienekonzepte für die Fakultät für Chemie und Chemische Biologie.

Durch die Coronakrise war die Forschung in den Laboren der TU Dortmund für Wochen pausiert. Nun können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wieder in die Labore zurück – unter strengen Hygienevorschriften. Dr. Sebastian Zühlke hat diese für die Fakultät für Chemie und Chemische Biologie erarbeitet. Im Interview erzählt er, wieso seine Fakultät strenger ist als der Gesetzgeber.

Dr. Zühlke, wann ist Ihnen eigentlich bewusst geworden, dass die Lage mit dem Coronavirus ernst ist?

Als Personen aus meinem Bekanntenkreis mit einer Corona-Infektion aus ihrem Urlaub in Südtirol und Österreich zurückkamen.

Am 16. März trat das Betretungsverbot der TU-Gebäude für Studierende in Kraft, am 18. März wurde das Homeoffice als Regelarbeitsort für die TU-Beschäftigten festgelegt. Wie haben Sie diese Situation erlebt?

Nun, die Schließung war keine komplette Überraschung, aufgrund der damaligen Entwicklung der Lage konnte man das vorahnen. Zu dem Zeitpunkt leitete ich das Analytik-Praktikum der Chemie-Studierenden. Bereits in der Woche davor sprach ich mit den Studierenden darüber, dass wir das Praktikum wahrscheinlich nicht komplett zu Ende führen können. Bevor die Homeoffice-Regelung griff, bereitete ich mit meinem Team ein Online-Angebot vor: Über eine Fernsteuerung der Geräte konnten die Studierenden dann Messungen vornehmen und diese zu Hause analysieren. Mit dieser Lösung haben wir es geschafft, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr Praktikum beenden können.

Wie hat sich die Schließung auf die Forschung in der Fakultät ausgewirkt?

Die meisten Forschungsprojekte mussten zwischenzeitlich unterbrochen werden, manche zeitkritische Experimente – zum Beispiel mit Mikroorganismen – wurden abgebrochen. Diese müssen jetzt neu gestartet werden.

Nun darf in den Laboren wieder geforscht werden. Sie haben das Hygienekonzept für die Fakultät für Chemie und Chemische Biologie federführend erarbeitet. Was sind die wichtigsten Regeln?

Vor allem einen genügend großen Abstand voneinander zu halten – am besten mehr als die vorgeschriebenen anderthalb Meter. Dann ist eine gute Durchlüftung essenziell, die ist in unseren Laboren aber ohnehin gewährleistet. Und letztendlich haben wir die Regel aufgestellt, dass immer eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden muss, wenn sich mehr als eine Person im Raum befindet – auch, wenn sie den Mindestabstand einhalten. Da sind wir tatsächlich sehr streng, da die genauen Ansteckungsmechanismen des Coronavirus noch nicht sicher bekannt sind. Grundsätzlich soll sich möglichst nur eine Person in einem Labor aufhalten. Das ist aber nicht in allen Situationen praktikabel, denn es gibt bestimmte Messgeräte, die von mehreren Personen genutzt werden müssen. Die können zum Teil dann auch aus technischen Gründen nicht immer desinfiziert werden. Daher ist auch die persönliche Handhygiene essenziell.

Wie wird das denn organisiert, dass sich in den Laboren nicht zu viele Personen über den Weg laufen?

Wir haben ein Schichtsystem, die Forscherinnen und Forscher können nicht jeden Tag ins Labor, sondern gestaffelt und erst nach Anmeldung. Außerdem geht immer nur ein Teil einer Forschungsgruppe ins Labor. Zudem sind auch nicht alle Bereiche der Fakultät gleichzeitig wieder in die Laborforschung gestartet, denn jeder Forschungsbereich muss auch ein eigenes Hygienekonzept vorlegen, das ganz konkret auf den jeweiligen Versuchsaufbau und die jeweiligen Räumlichkeiten abgestimmt ist. Diese Konzepte sind nacheinander freigegeben worden, sodass auch hier nicht alle auf einmal anfangen konnten.

So viele detaillierte Hygienekonzepte – das klingt nach einer Menge Arbeit für Sie.

Das war es tatsächlich auch: Nach dem allgemeinen Konzept für die Fakultät ging auch jedes Bereichskonzept über meinen Tisch, bevor ich die finale Version zur Freigabe an das Referat Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitsschutz schickte. So konnte ich das Referat entlasten. Aber ich habe aus meiner Fakultät auch viel Unterstützung erhalten, vor allem auch von Dekan Prof. Stefan Kast, unserem Geschäftsführer Dr. Markus Schürmann und dem Team von Lehrbereichsvertreterinnen und ‑vertretern, die das Gesamtkonzept vorbereitet haben.

Konnten Sie alle benötigten Materialien für die Hygienemaßnahmen erhalten? 

Einmalhandschuhe haben wir ohnehin vorrätig. Desinfektionsmittel konnten wir zum Teil beschaffen und zum Teil selbst herstellen, aktuell haben wir genug. Einen Engpass gibt es bei Spendern für Desinfektionsmittel und Seifen – da gibt es derzeit Lieferprobleme. Wir behelfen uns mit einfachen Lösungen, zum Beispiel mit Spritzflaschen.

Gibt es Forschungsprojekte, die aufgrund der geltenden Hygienevorschriften nicht durchgeführt werden können?

In der Instrumentellen Analytik benutzen wir sehr große, teure Geräte, beispielsweise Massenspektrometer. Bei einigen standen Reparaturen an, für die Servicetechniker benötigt wurden. Aufgrund des Lockdowns durften die allerdings keine Dienstreisen durchführen und dürfen es zum Teil immer noch nicht. Deswegen sind einige Geräte noch nicht betriebsbereit.

Zur Person
Dr. Sebastian Zühlke (44) ist Laborleiter für Massenspektrometrie und stellvertretender Pandemiebeauftragter an der Fakultät für Chemie und Chemische Biologie. Er arbeitet seit 2004 an der TU Dortmund.