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Dr. Mai Thi Nguyen-Kim zu Gast an der TU Dortmund

„In einer idealen Welt gäbe es ein ‚Recht auf Wahrhaftigkeit‘“

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Dr. Mai Thi Nguyen-Kim sitzt mit zwei anderen Personen im Gespräch auf einem Podium. © Martina Hengesbach​/​TU Dortmund
Dr. Mai Thi Nguyen-Kim im Gespräch mit Carlotta Wagner und Prof. Holger Wormer.

Im Rahmen der Vortragsreihe „Die Wissensmacher“ des Instituts für Journalistik war Dr. Mai Thi Nguyen-Kim am 20. November zu Besuch an der TU Dortmund. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Audimax erzählte die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin über ihre Karriere und stellte sich den Fragen des Publikums.

„So voll wie heute war es bei den Wissensmachern noch nie“, stellte Prof. Holger Wormer, Professor für Wissenschaftsjournalismus, direkt zu Anfang der Veranstaltung mit einem Blick in den größten Hörsaal auf dem TU-Campus fest. Zusammen mit Carlotta Wagner, Bachelor-Studentin im Wissenschaftsjournalismus, moderierte er das rund anderthalbstündige Gespräch mit Dr. Mai Thi Nguyen-Kim. 

Die promovierte Chemikerin ist durch ihren YouTube-Kanal „maiLab“ deutschlandweit bekannt geworden, moderierte die Wissenschaftssendungen „Quarks“ und „Terra X“ und hat mittlerweile mit „MaiThink X“ ihre eigene Sendung im Programm von ZDFneo. Ihre ersten Schritte in der Öffentlichkeit waren hingegen nicht journalistisch, sondern rhythmisch: Es handelte sich um ein Tanzvideo für den Wettbewerb „Dance your Ph.D.“. „Ich war damals an der RWTH Aachen Hip-Hop-Trainerin und stellte in dem Video tanzend meine Forschung vor“, erzählte Mai Thi Nguyen-Kim. Das Feedback war positiv, trotzdem dauerte es noch bis zu ihrem Forschungsaufenthalt am Massachusetts Institute of Technology im Jahr 2015, bis sie ihr nächstes Video auf ihrem ersten YouTube-Kanal „The Secret Life of Scientists“ veröffentlichte. 

Zur hauptberuflichen Wissenschaftskommunikatorin und Journalistin wurde Dr. Nguyen-Kim eher zufällig. Eigentlich wollte sie mit ihrer Forschung „die Welt verbessern“: Sie versuchte damals, neue Wege zu erforschen, um Wirkstoffe gegen Krebserkrankungen zur richtigen Stelle im Körper zu bringen, und promovierte im Sommer 2016 zu dem Thema. Kurz darauf erhielt sie eine Anfrage von funk, dem jungen Medienangebot von ARD und ZDF – und entschloss sich zu einem „Sabbatjahr“ in der Wissenschaftskommunikation, das letztendlich zu ihrem Karriereweg wurde. So entstand ihr professioneller Kanal „schönschlau“, der zwei Jahre später zu „maiLab“ umbenannt wurde. 

Fakten kritisch einordnen

Heute gehört sie zu den bekanntesten Gesichtern im deutschen Fernsehen, wenn es um die Vermittlung von Wissenschaft geht. Damit einher geht auch die öffentliche Aufmerksamkeit zum Beispiel von der Klatschpresse oder von Wissensschaftsleugnern. „Das ist nicht immer toll“, sagte Dr. Nguyen-Kim. „Aber ich versuche, das Positive daran zu sehen: So habe ich auch die Aufmerksamkeit, um Wissenschaft zu vermitteln.“ Mit ihren Formaten möchte sie einerseits dazu beitragen, aktuelle Debatten zu versachlichen, andererseits aber auch Themen auf die Agenda bringen, die in der Öffentlichkeit noch unbekannt seien. Das sei nicht immer einfach: „Im Fernsehen werden kurze und knackige Antworten erwartet, die es in der Wissenschaft nicht immer gibt.“ 

Sie selbst sehe sich mittlerweile weniger als Kommunikatorin, sondern eher als Wissenschaftsjournalistin. Der Unterschied: „Die Aufgabe der Wissenschaftskommunikation ist es vor allem, die Fakten so zu ‚übersetzen‘, dass mehr Menschen sie verstehen. Als Journalistin ordne ich die Fakten hingegen auch kritisch ein. Das ist heute mein Selbstverständnis.“

Nachwuchs für den Wissenschaftsjournalismus

Sie ermunterte das Publikum dazu, selber aktiv zu werden: „Wir brauchen auf jeden Fall noch mehr Leute, die Wissenschaft vermitteln – ich kann nicht alles alleine machen“, sagte sie mit einem Augenzwinkern. In der Pandemie hätten Wissen­schaft­ler*innen in der Öffentlichkeit sowohl die Rolle eines Vorbilds als auch teilweise eines Feindbilds eingenommen. Abschrecken lassen sollte man sich davon nicht, so Mai Thi Nguyen-Kim. Gerade naturwissenschaftliche Themen seien in der Vermittlung „sehr dankbar“, da sie faktenbasiert und damit unabhängig von persönlichen Meinungen seien. Eine „Checkliste“, wie man ins Fernsehen komme, habe sie nicht, aber: „Eine gewisse ‚Rampensauigkeit‘ braucht man schon, um vor der Kamera zu stehen.“

Zum Schluss ging es noch um die vielen falschen Behauptungen, die in den sozialen Netzwerken verbreitet werden. „Jeder Mensch ist im Internet nicht nur Empfänger, sondern auch Sender. Das ist prinzipiell gut, führt aber auch zu Fake News und Verschwörungserzählungen.“ In einer idealen Welt gäbe es ein „Recht auf Wahrhaftigkeit“. „Es gibt aber wohl keinen Weg, das zu organisieren. Ich setze auf Bildung als Gegenmittel.“

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