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Pilot-Studie des Erich-Brost-Instituts

„Road Map“ für mehr Medienfreiheit im arabischen Raum

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Mehrere Zeitungen liegen übereinander. © Pixabay
Wie lassen sich auch in den politisch sehr restriktiven Staaten der Region mehr Möglichkeiten für Medienselbstverantwortung schaffen?

Das Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus der TU Dortmund hat eine Studie zur Lage der Medienverantwortung im arabischen Raum vorgestellt. In vielen arabischen Ländern sind Journalisten und Journalistinnen derzeit extrem unter Druck – zu Beginn der Corona-Pandemie sind in einigen Staaten der Region sogar Zeitungen mit dem Argument verboten worden, sie würden das Corona-Virus übertragen.

Die Studie untersucht erstmals im Vergleich von neun Ländern die Möglichkeiten arabischer Medienmacherinnen und -macher, die Freiheit der Medien durch Instrumente der Selbstkontrolle zu verbessern. Wie professionell sind die Redaktionen in den arabischen Staaten organisiert? Pflegen sie – wie in Deutschland üblich – einen Dialog mit dem Publikum? Haben sie Ethik-Kodizes verabschiedet, um damit staatlicher Zensur den Wind aus den Segeln zu nehmen? Oder haben die politischen Machthaber auch die örtlichen Presseräte „gekapert“ und beuten sie geschickt als Instrument der Medienkontrolle aus?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Studie, die im Rahmen eines Projekts mit dem Auswärtigen Amt entstanden ist. Sie basiert auf Interviews mit rund 100 Medienexperten und -expertinnen vor Ort und umfasst neun Länder. Neben Tunesien, Marokko, Ägypten, Libanon und Jordanien wurden auch schwer zugängliche Staaten wie Syrien, Irak, Libyen und Algerien erfasst. Geleitet wurde das deutsch-arabische Forschungsteam von Prof. Susanne Fengler und Isabella Kurkowski an der TU Dortmund.

Mangel an Medienselbstkontrolle

Die Studie zeigt: Die MENA-Region, also Middle East & North Africa, sticht – auch im internationalen Vergleich – bislang durch einen eklatanten Mangel an funktionierenden Instrumenten der Medienselbstkontrolle heraus. Medienräte und Journalistenverbände stehen in vielen Ländern – Tunesien gehört hier zu den wenigen positiven Ausnahmen – unter der Kontrolle der Regierung und dienen dazu, kritischen Journalismus zu behindern anstatt zu fördern. Die Befragung zeigt, dass die Medienmacher in der Region große Hoffnungen auf regionale Netzwerke unabhängiger Medienakteure und einen intensiveren Dialog mit dem Publikum setzen, für die vielen Redaktionen bislang allerdings das Know-how fehlt. An diesen Stellen wird das EBI mit einem Folgeprojekt in 2021 ansetzen.

Die Studie liegt in englischer und arabischer Sprache vor. Anlässlich der Veröffentlichung fand auch eine Serie von Online-Konferenzen mit über 200 hochkarätigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der arabischen Welt statt. Sie teilten ihre Perspektiven aus Medienunternehmen und Journalistenverbänden, Lehre und Forschung sowie NGO-Aktivitäten, um engagiert über die Kernfrage der Studie zu diskutieren: Wie lassen sich auch in den politisch sehr restriktiven Staaten der Region mehr Möglichkeiten für Medienselbstverantwortung schaffen?

Finanzielle Unabhängigkeit vom Staat notwendig

Der Bericht schlägt drei konkrete Schritte vor: Eine E-Learning-Plattform in arabischer Sprache soll künftig Material bereitstellen, um das Thema konsequent in die Journalisten-Ausbildung der Region zu integrieren. Ein pan-arabisches Netzwerk soll Redaktionen der Region verbinden, die sich für Transparenz einsetzen. Und Medienunternehmen müssen in ihrer finanziellen Unabhängigkeit vom Staat gestärkt werden – auch mit Blick auf die Folgen der Corona-Krise. Prof. Susanne Fengler und Isabella Kurkowski betonen: „Diese Vorhaben werden wir nun im zweiten Schritt des Projekts systematisch mit unseren arabischen Partnern umsetzen.“ Das EBI hatte bereits in der Vergangenheit erfolgreich ein Netzwerk von Ombudsleuten für tunesische Redaktionen aufgebaut – auch dies war ein Projekt mit dem Auswärtigen Amt.

Portrait von Frau Prof. Susanne Fengler © Roland Baege​/​TU Dortmund
Prof. Susanne Fengler ist Professorin für internationalen Journalismus an der TU Dortmund.

Zur Veröffentlichung (Englisch)

 

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