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Forschung am CERN

Die Symmetrie zwischen Elektronen und Myonen wackelt

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Portrait von Prof. Johannes Albrecht © Nikolas Golsch​/​ TU Dortmund
Johannes Albrecht ist Professor für Teilchenphysik an der TU Dortmund.

Beobachtungen in extrem seltenen Teilchenzerfällen lassen Physikerinnen und Physiker aufhorchen: Deutet sich da eine Abweichung von der akzeptierten Theorie an?

Standardmodell, wir haben ein Problem: Die gängige physikalische Theorie, die das Verhalten aller Kräfte und Teilchen im Universum beschreibt, reicht anscheinend nicht mehr aus. Der neueste Hinweis darauf stammt von der LHCb-Kollaboration, einer internationalen Gruppe von Teilchenphysikerinnen und -physikern, die den LHCb-Detektor am Forschungszentrum CERN in Genf nutzen. Am 23. März präsentierten Forscherinnen und Forscher der LHCb-Kollaboration zeitgleich auf einer wichtigen Fachkonferenz der Teilchenphysik und in einem Seminar am CERN zwei zentrale Messungen des LHCb-Experiments. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der RWTH Aachen, der TU Dortmund und der Universität Heidelberg sind an diesen Messungen maßgeblich beteiligt.

Teilchenphysikerin Eluned Smith von der RWTH Aachen, die gemeinsam mit Martino Borsato von der Universität Heidelberg und Johannes Albrecht von der TU Dortmund die Analyse koordiniert hat, sagt: „Die Symmetrie zwischen Elektronen und Myonen wackelt! Wenn sich die Messung mit mehr Daten bestätigt, würde das auf Physikeffekte hindeuten, die so nicht im Standardmodell beschrieben sind.“ Dabei horchen Teilchenphysikerinnen und -physiker sofort auf und schauen noch einmal ganz genau hin.

Das Standardmodell der Teilchenphysik, eben jene physikalische Theorie, die das Verhalten der Teilchen und Kräfte beschreibt, sagt voraus, dass sich Teilchen mit gleichen Eigenschaften auch gleich verhalten sollten. Teilchen mit gleichen Eigenschaften werden in eine Familie eingeordnet. So gehören zur Familie des Elektrons Teilchen namens Myon und Tau, deren einziger Unterschied in ihrer Masse liegt. Laut Standardmodell sollten Myon und Tau, also die schweren Partner des Elektrons, sich genauso wie das Elektron verhalten. Dieses identische Verhalten der Teilchen, die alle zur Gruppe der Leptonen gehören, nennt sich Lepton-Universalität. Jeder Hinweis darauf, dass sie sich irgendwie unterscheiden, würde für Aufsehen sorgen, weil sie auf neue Teilchen hindeuten können.

Hinweis auf Verletzung der Lepton-Universalität

Am LHCb-Experiment untersucht man, ob das Verhalten wirklich identisch ist oder ob es leichte Abweichungen gibt. Dabei richten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihr Augenmerk auf sehr seltene Teilchenzerfälle von B+-Mesonen. Sie fanden heraus, dass B+-Mesonen etwas häufiger in eine bestimmte Reihe von Teilchen zerfallen als in eine andere, obwohl sie laut Theorie gleich oft in beide Endzustände zerfallen müssten. Dabei sind diese Zerfälle so selten, dass sie bei zwei Millionen Zerfällen des B+-Mesons nur einmal vorkommen. Das Ergebnis deutet auf eine Verletzung der Lepton-Universalität hin. Noch sind nicht genug Daten zusammengekommen, dass man von einer Entdeckung sprechen könnte, aber die Anzeichen sprechen dafür und unter Teilchenphysikerinnen und -physikern herrscht vorsichtige Aufregung.

„Dieses neue Ergebnis gliedert sich in eine Reihe von Messungen ein, die gemeinsam ein konsistentes Bild ergeben. Die Daten bevorzugen derzeit klar Erklärungen und Modelle, die über das Standardmodell hinausgehen, wie zum Beispiel die Existenz von sogenannten Leptoquarks“, ergänzt Johannes Albrecht von der TU Dortmund. Denn die LHCb-Forscher haben schon eine ganze Reihe verschiedener Zerfälle studiert, in denen Leptonen und b-Quarks vorkommen. Jede einzelne dieser Untersuchungen gab leichte Hinweise auf eine Verletzung der Lepton-Universalität, aber für sich genommen waren die Beobachtungen noch nicht aufschlussreich genug. Wenn man allerdings alle miteinander kombiniert, ergibt sich ein Muster, das für die Aufregung sorgt. Ob gerade der erste Schritt auf dem Weg zu einer richtigen Entdeckung verkündet wurde, wird sich zeigen, wenn die Forscherinnen und Forscher weitere Daten sammeln und auswerten.

Die ursprüngliche Idee zur Untersuchung des Unterschiedes von Elektronen und Myonen in seltenen B-Mesonzerfällen geht zurück auf eine Theoriearbeit aus dem Jahr  2003 von Prof. Gudrun Hiller von der TU Dortmund und Dr. Frank Krüger von Technischen Universität München. Dieser Unterschied lässt sich womöglich durch sogenannte Leptoquarks erklären, welche ebenfalls Gegenstand aktueller Forschung an der TU Dortmund sind.

 

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