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Internationale Forschungszusammenarbeit

Drei Fragen an Humboldt-Stipendiatin Jinjin Ha

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Porträtfoto von Juniorprofessorin Jinjin Ha auf dem Campus © Hesham Elsherif​/​TU Dortmund
Die Humboldt-Stipendiatin JProf. Jinjin Ha widmet sich im Rahmen ihrer Forschung am Institut für Umformtechnik und Leichtbau dem Spannungsüberlagerungseffekt.

JProf. Jinjin Ha forscht am Institut für Umformtechnik und Leichtbau (IUL), das Prof. A. Erman Tekkaya leitet. Die Juniorprofessorin von der University of New Hampshire (UNH) ist spezialisiert auf Werkstoffmechanik für Metallverformungsprozesse. Sie hat ein Alexander-von-Humboldt-Stipendium für erfahrene Forschende erhalten, mit dem sie ihren Forschungsaufenthalt am Institut abschnittsweise für jeweils mehrere Monate neben ihren Tätigkeiten in den USA durchführen kann. Im Interview spricht JProf. Ha über die Ziele ihres Forschungsprojekts und die gemeinsamen Anstrengungen, die Fertigung durch Forschung zu modernisieren.

Woran forschen Sie derzeit, Frau Ha?

Mein Forschungsprojekt am IUL befasst sich mit dem Spannungsüberlagerungseffekt, also dem Hinzufügen von Sekundärspannungen, bei der inkrementellen Blechumformung. Die inkrementelle Blechumformung ist ein flexibles Blechumformverfahren, das keine herkömmlichen großen Maschinen und Anlagen erfordert. Stattdessen formen ein oder mehrere bewegliche Werkzeuge das Blech in die gewünschte Form, während Greifer das Rohteil in Position halten. Ich möchte das inkrementelle Umformverfahren mithilfe des Spannungsüberlagerungseffekts so verbessern und weiterentwickeln, dass es für wichtige künftige Anwendungen in der Luft- und Raumfahrtindustrie oder für die Herstellung medizinischer Produkte wie Traumaimplantate geeignet ist. Das erste Ziel meines Forschungsprojekts ist es, ein fertig geformtes Blech mit lokal angepassten mechanischen Eigenschaften herzustellen, indem ich die Mikrostrukturveränderungen beeinflusse, die durch die Verformung entstehen. Das zweite Ziel ist die Reduktion der Rückfederung, die auftritt, wenn wir das geformte Blech nach Abschluss des Umformprozesses aus den Griffen nehmen. Die Eigenspannung aus dem Umformprozess führt dazu, dass sich die Form verzieht. Ich möchte mit Hilfe der konstitutiven Modellierung in Kombination mit Daten aus Experimenten zur Materialcharakterisierung den Mechanismus hinter der Spannungsüberlagerung als Lösung für die Rückfederung untersuchen.

Warum ist es wichtig, Simulationen und physische Experimente zu kombinieren?

Computersimulationen sind ressourceneffizient und ermöglichen uns, die Mechanik und das Materialverformungsverhalten während des inkrementellen Umformprozesses mit Spannungsüberlagerung besser zu verstehen. Nur wenn wir die Grundlagen verstehen, können wir unser Wissen erweitern, um innovative Lösungen zu finden. Aus diesem Grund wird in der Forschung in letzter Zeit immer mehr Wert auf Simulationen und Berechnungsmethoden gelegt. Zu diesem Zweck benötigen wir zuverlässige Vorhersageergebnisse aus den Simulationen. Mit konstitutiver Modellierung können wir die Genauigkeit unserer Vorhersagen verbessern. Außerdem müssen wir die Vorhersagen gründlich überprüfen, indem wir sie mit den Ergebnissen aus realen Experimenten vergleichen. Seit 2021 arbeiten wir am IUL und an der UNH zu diesem Thema zusammen – etwa durch den Austausch von Studierenden aus beiden Ländern – und sammeln experimentelle Daten zur Materialcharakterisierung und zur inkrementellen Umformung sowie zu den daraus resultierenden Eigenspannungen und Mikrostrukturänderungen. Die Kombination aus konstitutiver Modellierung und den Daten aus physischen Experimenten hilft uns, die lokale Verformung bei der inkrementellen Umformung besser zu verstehen und zu kontrollieren und somit die Bedingungen zu beeinflussen, die Rückfederung verursachen.

Weshalb ist diese internationale Forschungszusammenarbeit so wertvoll?

Advanced Manufacturing, also der Transfer von Wissenschaft und Technologie in den Fertigungsprozess, erhält derzeit viel Aufmerksamkeit. Laut dem US National Institute of Standards and Technology hat der Fertigungssektor mehr als zehn Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den USA beigetragen. Auch in Deutschland macht die industrielle Fertigung einen großen Teil des BIP aus. Daher gibt es ein zunehmendes gemeinsames Interesse an Innovation und der Entwicklung neuer Verfahren. Mein Projekt ist Teil einer fortlaufenden Forschungsarbeit, die das IUL und die UNH miteinander verbindet. 2021 forschte eine meiner Doktorand*innen am IUL an verschiedenen Lösungen für die Rückfederung unter Nutzung des Spannungsüberlagerungseffekts bei der inkrementellen Umformung. Ihr Aufenthalt wurde durch Forschungsstipendien im Rahmen des Fulbright-Programms und des Graduate International Research Experiences-Programms (IIE-GIRE NSF) finanziert. Im Gegenzug konnte ein Student der TU Dortmund mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) bei meinem Team an der UNH zu Gast sein, um Experimente zur inkrementellen Umformung bei zyklischer Biegung unter Spannungseinwirkung durchzuführen. Gemeinsam können wir einen Beitrag zum umfassenden Verständnis und zur Innovation von Fertigungsprozessen leisten.

Darüber hinaus ist die internationale Zusammenarbeit immer ein Highlight und eine großartige Erfahrung, sowohl für Forschende als auch für Studierende. Daher möchte ich auch für meine Studierenden Möglichkeiten schaffen, ins Ausland zu gehen. Ich hoffe, während meines Aufenthaltes die Zusammenarbeit mit dem IUL noch weiter auszubauen und mein Netzwerk in Deutschland zu erweitern!

 

Zur Person

JProf. Jinjin Ha hat 2016 an der Pohang University of Science and Technology (POSTECH) in Südkorea promoviert. Anschließend forschte sie als Postdoc an der University of New Hampshire (UNH) und der Ohio State University (OSU). Seit 2020 ist sie Juniorprofessorin am Fachbereich Maschinenbau der UNH.

Über das Humboldt-Forschungsstipendium

Das von der Alexander von Humboldt-Stiftung vergebene Forschungsstipendium ermöglicht erfahrenen internationalen Wissen­schaft­ler*innen mit überdurchschnittlicher Qualifikation, in Zusammenarbeit mit einem*einer Gastgeber*in an einer deutschen Forschungseinrichtung ein eigenes Projekt durchzuführen. Das Stipendium richtet sich an Postdocs und erfahrene Wissen­schaft­ler*innen, deren Promotion nicht länger als zwölf Jahre zurückliegt.