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Drei Fragen an Prof. Gernot A. Fink

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Porträt von Prof. Gernot A. Fink © Oliver Schaper​/​TU Dortmund
Prof. Gernot A. Fink ist seit 2013 Dekan der Fakultät für Informatik.

Prof. Gernot A. Fink von der Fakultät für Informatik forscht zu Handschrifterkennung. Als General Chair hat er gemeinsam mit einem internationalen Team die 17. International Conference on Frontiers in Handwriting Recognition (ICFHR) 2020 organisiert, die Anfang September in Dortmund und damit erstmals in Deutschland hätte stattfinden sollen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde sie jedoch online durchgeführt. Im Interview berichtet Prof. Fink, wie Handschrifterkennung und Informatik zusammenhängen und warum die Handschrift auch im digitalen Zeitalter nicht aussterben wird.

Prof. Fink, was bedeutet eigentlich Handschrifterkennung?

Handschrift ist hochvariabel. Kein Mensch schreibt einen Buchstaben zweimal exakt gleich. Zudem haben sich über die Jahrhunderte Schrift und Orthografie immer wieder stark verändert. Dies macht es so schwierig und mühsam, historische Dokumente zu entziffern. Und während im Westen mit den lateinischen Buchstaben die Anzahl möglicher Zeichen noch recht überschaubar ist, gibt es im asiatischen Sprachraum zigtausende möglicher Zeichen. Um das Entschlüsseln dieser Texte zu erleichtern und das darin gespeicherte historische Wissen wiederherzustellen, entwickeln meine Arbeitsgruppe und ich Software-Anwendungen, die handschriftliche Dokumente automatisiert lesen können.

Und an dieser Stelle kommt die Informatik ins Spiel?

Richtig. Zunächst einmal sind natürlich Expertinnen und Experten aus den Geisteswissenschaften gefragt. Sie entschlüsseln und analysieren einzelne Schriftstücke. Mit diesen Dokumenten können wir in der Informatik später erste Experimente starten und ein Erkennungsmodell trainieren. Dafür verwenden wir künstliche neuronale Netzwerke. Zunächst überlegen wir, wie deren Struktur aussehen könnte und entwerfen mögliche Modelle. Anschließend „bauen“ wir diese, testen sie auf Hochleistungsrechnern mit bereits bekanntem Schriftmaterial und evaluieren und vergleichen sie. Dabei setzen wir Methoden des Maschinellen Lernens und speziell des Deep Learning ein. Dieses tiefe Lernen ähnelt sehr entfernt der Funktionsweise des menschlichen Gehirns: Auf Basis vorhandener Informationen kann das neuronale Netz das Erlernte immer wieder mit neuen Inhalten verknüpfen und dadurch lernen. In der Regel sind zahlreiche Experimente und Trainingsläufe notwendig, bis wir am Ende ein geeignetes Modell entwickelt haben, das Texte eines bestimmten Schriftsystems lesen kann.

Es heißt immer wieder, dass die Handschrift allmählich verschwindet. Stimmt das und hat das Auswirkungen auf Ihre Arbeit?

Durch die Digitalisierung ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. So gewinnt zum Beispiel die Eingabe per Stift auf elektronischen Geräten zunehmend an Bedeutung. Ich denke daher nicht, dass die Handschrift ausstirbt, die Kommunikationsformen ändern sich nur. Die Stiftspitze ist dann gewissermaßen die elektronische Tinte, das Tablet ersetzt das Papier. Hier entstehen auf dem Gebiet der On-Line-Handschrifterkennung ganz neue Forschungsfelder. So wird etwa daran gearbeitet, die Stifteingabe zu optimieren, Hürden bei der Eingabe abzubauen und auch komplexere handschriftliche Dokumente wie mathematische Formeln und Skizzen automatisiert zu interpretieren.


Zur Person
Prof. Gernot A. Fink studierte Informatik an der Universität Erlangen-Nürnberg. 1995 promovierte er an der Universität Bielefeld und habilitierte sich dort 2002 im Bereich Angewandte Informatik. Seit 2005 ist er Professor für Eingebettete Systeme an der TU Dortmund und seit 2013 Dekan der Fakultät für Informatik.

 

Weitere Informationen zur ICFHR 2020