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Prof. Ruprecht Mattig analysiert Methoden und Begriffe

Drei Fragen an Prof. Ruprecht Mattig zur Bildungsforschung

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Portrait Prof. Ruprecht Mattig © Felix Schmale​/​TU Dortmund
Prof. Ruprecht Mattig schaut vor allem in einer Metaperspektive auf die Bildungsforschung.

Ruprecht Mattig ist Professor für Systematische Erziehungswissenschaft und Methodologie der Bildungsforschung an der Fakultät Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie. An der TU Dortmund untersucht er schwerpunktmäßig die Bildungsforschung. Das bedeutet: Er fragt danach, was Bildungsforschung überhaupt ist und welche unterschiedlichen Vorstellungen von Bildung dahinterstehen. Kürzlich hat er ein Buch über Wilhelm von Humboldt veröffentlicht, das einen ganz neuen Blick auf den bekannten Bildungstheoretiker wirft.

Herr Mattig, welche neuen Erkenntnisse hat Ihr Buch über Humboldt gebracht?

Wilhelm von Humboldt gilt als einer der bedeutendsten Klassiker der Bildungstheorie. Ich zeige nun, dass Humboldt nicht nur zur Theorie der Bildung gearbeitet, sondern auch selbst empirische Forschung durchgeführt hat. In Frankreich, Spanien und vor allem im Baskenland hat er ethnographische Studien betrieben und dabei die Bildung dieser Nationen und Völker untersucht. Fasziniert war er vor allem vom sozialen Leben: Im Baskenland lebten gebildete und ungebildete Menschen in Gemeinschaft, was er aus Preußen nicht kannte. Er stellte fest, dass durch das Miteinander sogar das einfache Landvolk mit den Ideen der Aufklärung vertraut war. Die Erkenntnisse, die er durch seine Forschung gewann, gingen dann sogar in seine bildungs- und kulturpolitischen Konzepte ein, die das Ziel verfolgten, die Nation als Ganzes zu bilden.

Um welche Fragestellungen geht es in Ihrer Forschung?

Grundsätzlich mache ich Bildungsforschung, jedoch keine klassischen Schulstudien. Mich interessiert vor allem die Metaebene: Was ist Bildungsforschung eigentlich? Und wie wird „Bildung“ darin verstanden? Bildungsforschung ist ein breites Feld, das von den großen Vergleichsstudien wie PISA und IGLU bis hin zu biografischer Forschung, zum Beispiel über das Lernen im Alter, reicht. Diese Forschungen haben unterschiedliche methodische Ansätze, was sich darüber hinaus auch in dem jeweiligen Bildungsbegriff widerspiegelt, der ihnen zugrunde liegt. Wenn wir eine systematische Perspektive einnehmen, können wir zum Beispiel bestimmte Traditionen erkennen, aber auch auf begriffliche oder theoretische Verkürzungen und damit auf konzeptionelle Probleme hinweisen, was wiederum zu neuen Reflexionen über den Bildungsbegriff anregt.

Woran forschen Sie aktuell?

In der Bildungsforschung gibt es immer mehr international vergleichende Studien. Schwierig ist, dass unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Traditionen dabei oft nicht berücksichtigt werden. Hier setzt unser aktuelles Projekt an: Wir erforschen den japanischen Begriff „Amae“. Er bezeichnet den Wunsch nach Geborgenheit und Abhängigkeit und ist auch für das japanische Erziehungsverständnis wichtig. Hierin zeigt sich schon ein wichtiger kultureller Unterschied zur europäischen Tradition, wo ja seit der Aufklärung die Unabhängigkeit ein zentrales Ziel der Pädagogik ist. Im vergangenen Herbst war ich mit fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Japan, um Interviews zu führen und mehr über Amae herauszufinden.

 

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