„Es war immer ein Traum von mir, in Deutschland zu studieren“
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Yu Kawahara aus Brasilien kam im Jahr 2012 als Austauschstudent an die TU Dortmund und verbrachte zwei Semester an der Fakultät Maschinenbau, gefördert durch das Stipendienprogramm „Wissenschaft ohne Grenzen“ der brasilianischen Regierung. Nach einem anschließenden Praktikum vollendete er sein Studium in São Carlos und arbeitet nun als Juniorprofessor am „Instituto Tecnológico de Aeronáutica (ITA)“ in São José dos Campos. Im Interview erzählt er, wie seine eineinhalb Jahre im Ruhrgebiet seinen Lebens- und Karriereweg beeinflusst haben.
Wir führen das Interview ja auf Deutsch. Haben Sie damals schon vor Ihrem Aufenthalt in Dortmund Deutsch gelernt?
Ich habe in Brasilien eine deutsche Schule besucht. Seit ich klein war, hatte ich Deutschunterricht. Die Kenntnisse konnte ich dann in meinem Auslandsjahr an der TU Dortmund vertiefen und weiterentwickeln. Aber natürlich gibt es einen Unterschied zwischen dem, was man in der Schule lernt, und wie man im Alltag spricht: Die Geschwindigkeit ist anders, der Rhythmus und die Umgangssprache. Ruhrpottdeutsch ist speziell, aber es gibt sehr viele schöne und lustige Ausdrücke – zum Beispiel, dass „ein Haufen Kohle“ so etwas wie „viel Geld“ bedeutet.
Wie kam es denn, dass Sie während Ihres Studiums den Sprung ins Ruhrgebiet gewagt haben?
Es war immer ein Traum von mir, in Deutschland zu studieren und glücklicherweise hatte ich während meines Studiums die Gelegenheit dazu. Ich hatte Dortmund schon vorher als tolle Stadt kennengelernt und freute mich sehr, dass meine Bewerbung an der TU Dortmund erfolgreich war, da die Fakultät Maschinenbau sehr forschungsstark ist. Ich habe im Jahr 2012 zwei Semester an der TU Dortmund studiert und dann noch ein sechsmonatiges Praktikum bei Faiveley Transport Witten absolviert – beides war eine tolle Erfahrung. Dann bin ich zurück nach Brasilien und habe dort meinen Master gemacht, allerdings mit dem Ziel, wieder nach Deutschland zu ziehen. Als ich aber die Gelegenheit bekam, als Dozent an der ITA zu arbeiten, habe ich diese ergriffen und lehre nun schon seit drei Jahren technisches Zeichnen.
Gab es etwas, dass Sie zu Beginn des Studiums an der TU Dortmund überrascht hat?
In Brasilien sind Vorlesungen mit mehr als 60 Studierenden die Ausnahme, zumindest in den Ingenieurwissenschaften. Das war an der TU Dortmund ganz anders, zum Beispiel habe ich es Vorlesungen mit 200 oder 250 Studierenden besucht. Überraschend war auch, dass es nur eine Klausur pro Veranstaltung im Semester gibt – einerseits schön, wenn es weniger Klausuren gibt, aber bei der darf dann auch nichts schief laufen!
Zwischen Brasilien und Deutschland gibt es auf jeden Fall kulturelle Unterschiede. Die Deutschen sind auch freundlich, aber ein wenig verschlossener, sodass es nicht immer ganz einfach ist, Freunde zu finden. Ich versuche, alles erst mal positiv zu sehen, zum Beispiel die Bürokratie – die gibt es in Deutschland auch, aber sie funktioniert!
Haben Sie eine ganz besondere Erinnerung an Ihre Zeit in Dortmund?
Ich habe viele Leute kennengelernt, und erinnere mich gerne an alles, was wir gemacht haben – nicht nur an das Studium, aber auch an die Freizeit und Feiern. Aber ein ganz besonderes Ereignis war das Champions-League-Spiel zwischen dem BVB und Real Madrid, mein erster Stadionbesuch in Deutschland. Wir haben mit unserem Deutschlehrer und anderen Brasilianern in der Schlange vor dem Shop übernachtet, um die Karten zu kaufen – ganz schön kalt im Oktober! Eine meiner zwei Karten habe ich an einen deutschen Freund weitergegeben, er hat sich sehr darüber gefreut. Er konnte alle Lieder singen und hat mir alles beigebracht. Es war ein ganz besonderer Abend, auch, weil der BVB 2:1 gewann.
Hatten Sie auf dem Campus der TU Dortmund einen Lieblingsort?
Sicherlich die Studentenkneipen. Zum Beispiel das Spunk, dort haben sich auch immer viele Austauschstudierende getroffen – nicht nur die aus Brasilien, sondern auch aus ganz Europa und natürlich auch deutsche Studierende.
Welchen Tipp würden Sie Studienanfänger*innen geben – Austauschstudierenden oder jungen Leuten überhaupt – die ihr Studium an der TU Dortmund anfangen?
Vor allem, die Zeit zu genießen. Austauschstudierenden rate ich besonders, dass sie versuchen, Deutsch zu sprechen, ohne Angst davor, Fehler zu machen. Man muss nicht perfekt Deutsch sprechen. Die Deutschen wissen, dass ihre Sprache schwer ist, und finden es nicht schlimm, wenn man Fehler macht. Je mehr man spricht, desto besser wird man.
Allgemein ist das Gleichgewicht zwischen Studium und Freizeit wichtig, und auch offen zu sein, neue Leute kennenzulernen und neue Erfahrungen zu machen. Einfach etwas Neues zu versuchen.