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RESOLV-Forschung

Druckresistenz von Proteintröpfchen gibt Hinweise auf Ursprung des Lebens

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Porträtaufnahme in grün gestrichenem Flur © Roland Baege​/​TU Dortmund
Prof. Roland Winter bringt seine Forschung ins Exzellenzcluster RESOLV ein.

Prof. Roland Winter von der Fakultät für Chemie und Chemische Biologie der TU Dortmund forscht zu Proteintröpfchen unter Druck. Seine Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten „Journal of the American Chemical Society“ veröffentlicht.

So wie Wasser an einem feuchten Tag zu Tropfen kondensiert, können sich auch Proteine in Lösung zu tropfenförmigen Ensembles zusammenschließen und biologische Funktionen erfüllen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind der Meinung, dass diese biomolekularen Systeme eine Rolle bei der Entwicklung des Lebens gespielt haben, da die harten Temperatur- und Druckbedingungen der frühen Erdgeschichte dazu geführt haben könnten, dass einfache organische Verbindungen zu Tröpfchen kondensieren.

Die Gruppe des RESOLV-Wissenschaftlers Prof. Roland Winter vom Bereich Physikalische Chemie I der TU Dortmund wirft nun ein neues Licht darauf, wie sich Druck auf den Kondensationsprozess von Proteinen in Lösung auswirkt. Winter stellte fest, dass Tröpfchen des Augenlinsenproteins y-Crystallin durch Zugabe eines in Tiefseefischen gefundenen Proteinstabilisators gegen hohen Druck resistent werden. Die Ergebnisse wurden im Mai im renommierten "Journal of the American Chemical Society (JACS)" veröffentlicht.

Hinweise auf Entstehung des Grauen Stars

Mit einer Reihe von Mikroskopie- und Spektroskopiemethoden haben die RESOLV-Forscherinnen und -Forscher die Auswirkungen des Drucks auf y-Crystallin gemessen – ein Protein, das das Zytoplasma der Augenlinsenzellen ausfüllt. Bei Temperaturen um 4 °C lösen sich Tröpfchen von y-Crystallin mit einem Druck von nur 0,1 kbar leicht auf. Dies änderte sich, als die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Proteinstabilisator TMAO hinzufügten. TMAO ist eine Verbindung, die Proteinstrukturen unter Druck stabilisiert und in Organismen, die in der Tiefsee gedeihen, sehr präsent ist. Die Ergebnisse von Winter zeigen, dass TMAO auch die Tröpfchenphase bis zu Hunderten von Bar stabilisieren kann – ein Druck, der in der Tiefsee herrscht. „Da der Ursprung des Lebens auf der Erde die Tiefsee gewesen sein könnte, geben unsere Ergebnisse einen Einblick in die mögliche Bildung erster zellähnlicher Strukturen unter Vorlebensbedingungen“, sagt Winter. Darüber hinaus kann die Kondensation von Crystallinen auch ein Faktor für die Entstehung des Grauen Stars sein, einer Krankheit mit oft unbekannten Ursachen, ergänzt Winter.

Drei Fragen an Prof. Roland Winter:

Was ist das spannendste Ergebnis Ihrer Forschung?

Wir haben festgestellt, dass bestimmte Co-Lösungsmittel wie TMAO in der Lage sind, Proteintröpfchen, sog. Kondensate, unter harten Druckbedingungen signifikant zu stabilisieren, ohne dass die Proteinsequenz verändert werden muss. Dies deutet auf einen adaptiven Vorteil für Tiefseeorganismen mit erhöhten TMAO-Konzentrationen in der Zelle hin.

Warum sind Ihre Ergebnisse wichtig – für die Wissenschaft und schließlich für die Gesellschaft?

Da das Leben auf der Erde wahrscheinlich in der Tiefsee entstand, können druckabhängige Studien an biomolekularen Systemen wie solchen Proteinkondensaten Fragen zu präbiotischen Protozellen beantworten. Weiterhin erfahren wir, wie bestimmte co-gelöste Stoffe in der Lage sind, dichte Proteinlösungen effektiv zu stabilisieren. Ein wichtiger Vorteil solcher phasenseparierter Strukturen ist, dass ihre Funktionen schnell ein- und ausgeschaltet werden können, was mehrere interessante biotechnologische Anwendungen mit sich bringt.

Wie ist Ihre Forschung mit der Solvatationsforschung verbunden?

Selbst kleinste Änderungen der Solvatationsbedingungen, zum Beispiel der Ionenstärke oder der Co-Lösungsmittel, können die Phasenübergänge biomolekularer Systeme deutlich beeinflussen. In RESOLV untersuchen wir den kombinierten Einfluss von co-gelösten Stoffen und zellähnlicher Einschließung auf die Partitionierung, Konformationsdynamik, Selbstorganisation und Aktivität von Peptiden und Nukleinsäuren in biomolekularen Kondensaten, um die Wirksamkeit solcher membranlosen Kompartimente zu untersuchen und mehr über deren krankheitsbezogenen Aspekte zu erfahren.

 

Über RESOLV

Die meisten chemischen Reaktionen, wichtige industrielle Prozesse und nahezu alle biologischen Vorgänge finden in flüssiger Phase statt. Das Team vom Exzellenzcluster „RESOLV – Ruhr Explores Solvation“ mit über 200 Wissen­schaft­lerinnen und Wissenschaftlern an sechs verschiedenen Standorten im Ruhrgebiet will verstehen, wie das Lösungsmittel in die Kontrolle, Vermittlung und Steuerung chemischer Reaktionen involviert ist. Bund und Länder fördern das Exzellenzcluster im Rahmen der Exzellenzstrategie (ehemals Exzellenzinitiative) seit 2012. Sprecherhochschulen sind die TU Dortmund und die Ruhr-Universität Bochum.

Weitere Informationen zu RESOLV

 

Veröffentlichung: Süleyman Cinar, Hasan Cinar, Hue Sun Chan and Roland Winter: Pressure-Sensitive and Osmolyte-Modulated Liquid–Liquid Phase Separation of Eye-Lens gamma-Crystallins, in J. Am. Chem. Soc., 2019, 141,18, 7347-7354 DOI:10.1021/jacs.8b13636