Zum Inhalt

Drei Fragen an Dr. Stefanie Danne von der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen zum Phänomen „Sommerfrost”

-
in
  • Studium & Lehre
  • Menschen

In der kleinen Münsterland-Gemeinde Südkirchen muss eine Kirche für die Öffentlichkeit gesperrt werden. Sie sei einsturzgefährdet, sagte der Pfarrer, „wegen des Sommerfrosts”. Dr. Stefanie Danne vom Bereich „Geotechnik” der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen beschreibt, was sich hinter dem Phänomen Sommerfrost verbirgt.

Frau Dr. Danne, Frost im Sommer? Was verbirgt sich hinter dem Begriff Sommerfrost?

Der Begriff „Sommerfrost” ist eher unüblich, aus meiner Sicht ingenieurtechnisch falsch und außerdem irreführend, da richtiger Frost hier keine Rolle spielt. Aktuell taucht er aber in einigen Berichterstattungen in Zusammenhang mit Schadensfällen, zum Beispiel bei Rohrleitungsbrüchen, auf. Man kennt es ja selber, dass lehmiger Boden oder auch Ton, Schluff und Löss  – wir Geotechnikerinnen und -techniker sprechen hier von „bindigem Boden” – fest wird, wenn er austrocknet. Dabei verringert er sein Volumen, was zu Rissen und/oder Hohlräumen führt. Diesen Vorgang nennt man Schrumpfen. Im Übrigen kommt es im Gegensatz dazu bei „richtigem Frost” im Baugrund zu einer Volumenvergrößerung, da sich das gefrierende Wasser im Boden ausdehnt. Die Hohllagen können eine örtliche Entlastung einerseits und durch damit verbundene Spannungsumlagerungen eine Spannungserhöhung andererseits bewirken, die zum Beispiel im Bereich von Rohrleitungen Schäden verursacht. Die durch das Schrumpfen entstandenen Trockenrisse im Boden können unter bestimmten Umständen auch günstigere Bedingungen für Wurzeln bieten, die sich in „Notsituationen” bzw. langen Trockenperioden auf der Suche nach Wasser und Feuchtigkeit mehr als sonst ausbreiten.  Auch die Steifigkeit, die bei bindigem Boden unter anderem stark vom Wassergehalt abhängt, ändert sich bei Austrocknung – seine Zusammendrückbarkeit nimmt ab. Erschütterungen, zum Beispiel weil Fahrzeuge über die Stelle fahren, werden durch die verminderte Nachgiebigkeit unter Umständen stärker auf Rohrleitungen übertragen als bei einem erdfeuchten Boden.

Viele Gartenbesitzerinnen und -besitzer klagen darüber, dass in diesem Jahr Sträucher und Bäume mit ihrem Wurzelwerk verstärkt Platten hochdrücken und für Wellen in Wegen sorgen. Auch wenn Ferndiagnosen schwierig sind: Kann das mit dem Phänomen „Sommerfrost” zusammenhängen?

Grundvoraussetzung für das Austrocknen eines Bodens und die damit einhergehenden Effekte ist immer ein vorausgegangener Wasserentzug. Ursächlich hierfür kann grundsätzlich ein Absinken des Grundwasserspiegels, Wasserentzug durch nahe Vegetation oder eben auch Feuchteverlust in Trockenperioden sein. Nicht alle bindigen Böden weisen ein ausgeprägtes Schrumpfverhalten auf. Wir Geotechnikerinnen und -techniker wissen, dass das sogenannte Schrumpfmaß eines bindigen Bodens stark von der Wassersättigung, den mineralischen Bestandteilen und dem Wasseraufnahmevermögen abhängt. Bei nichtbindigen Böden wie Sand oder Kies kann dieses Phänomen gar nicht auftreten. Ob Schrumpfvorgänge im Baugrund tatsächlich ursächlich für Schadensbilder dieser Art sind, bedarf immer einer genauen Analyse. Ferndiagnosen sind nicht sinnvoll. Allgemein ist festzustellen, dass insbesondere ältere, in geringer Tiefe liegende Leitungen beziehungsweise  nicht unterkellerte Gebäude durch dieses Phänomen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Können Sie einen Tipp geben, um diese Phänomene zu verhindern – beispielsweise ein Mindestabstand von Bäumen zu Gebäuden?

Dem Austrocknen des Baugrundes kann man im Grunde nur durch die Vermeidung von unverträglichem Feuchteverlust entgegen wirken. Dass ein Bewässern von Flächen, Straßen und Wegen in Trockenperioden oder eine Wasserzugabe zum Beispiel über Bohrungen in der Praxis nur in Einzelfällen realisierbar und sinnvoll ist, liegt auf der Hand. Es gibt die Empfehlung, dass bei bindigem Untergrund ein Baum nur so hoch sein sollte, dass der Abstand zwischen Baum und einer Gründung, also beispielsweise einem Fundament,  in etwa der Baumhöhe entspricht. Je nach Baumsorte liegt der Mindestabstand zu Gebäuden zwischen 10 Metern und 30 Matern. Bei einer Baumreihe sollte der Abstand der Baumreihe zum Gebäude nicht geringer als das 1,5-fache der Baumhöhe sein. Eine Verbesserung der Situation kann durch Entfernen oder Rückschnitt der Vegetation erzielt werden. Auch Wurzelsperren, die das Wurzelwachstum begrenzen, können sinnvoll sein. Einige Hersteller werben auch mit Injektionsbohrungen in Wurzelbereiche, die dafür sorgen, dass sich das oberflächennahe Wurzelwachstum reduziert und die Wurzeln mehr in größere Tiefenbereiche wachsen, die von langen Trockenperioden nicht so schnell betroffen werden.

Zur Person

Dr.-Ing. Stefanie Danne ist Bauingenieurin und arbeitet u.a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Geotechnik an der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen. Nach ihrem Studium an der TU Dortmund war sie zunächst in der freien Wirtschaft als Projektingenieurin – später Projektleiterin Geotechnik – in verschiedenen Ingenieurbüros im Ruhrgebiet tätig. Erst viele Jahre später kehrte sie (in Teilzeit bzw. neben ihrer Tätigkeit als Projektleiterin) an die TU Dortmund zurück und promovierte dort im Bereich Geotechnik. Aktuell ist sie dort überwiegend in der Lehre tätig und versucht, ihre Begeisterung für Bodenmechanik, Grundbau und Geotechnik an die Studierenden weiterzugeben.