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Internationaler Tag der Süd-Süd-Zusammenarbeit

Drei Fragen an Dr. Kathrin Rucktäschel zur Süd-Süd-Kooperation

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Porträtfoto von Dr. Kathrin Rucktäschel © Felix Schmale​/​TU Dortmund
Dr. Kathrin Rucktäschel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie und Politikwissenschaft an der TU Dortmund mit den Forschungsschwerpunkten Indonesien und Südostasien.

Die Vereinten Nationen haben den 12. September zum „Tag der Süd-Süd-Kooperation“ ernannt. Dr. Kathrin Rucktäschel vom Institut für Philosophie und Politikwissenschaft erklärt, worum es dabei geht.

Was ist die Süd-Süd-Kooperation?

Unter der Süd-Süd-Kooperation versteht man eine Form der Zusammenarbeit, in der Staaten des globalen Südens, denen es besser geht, anderen Staaten des Südens unter die Arme greifen, denen es nicht so gut geht. Das kann durch klassische Entwicklungszusammenarbeit geschehen, aber auch durch finanzielle Unterstützung oder Handelsverträge.

Das Konzept hat seinen Ursprung in Indonesien, wo auch mein politikwissenschaftlicher Forschungsschwerpunkt liegt. Bei der Bandung-Konferenz 1955 kamen die neu in die Unabhängigkeit entlassenen Staaten Afrikas und Asiens zusammen, um eine Strategie zu finden, wie sie sich im damaligen Kalten Krieg positionieren könnten. Daraus ging die Bewegung der Blockfreien Staaten hervor. Gleichzeitig entstand die Idee, dass man auch untereinander kooperieren, Handel und unterstützende Leistungen aufbauen kann. In der heutigen Zeit sind besonders die BRICS-Staaten – Brasilien, Indien, China, Südafrika – sehr aktiv in der Süd-Süd-Kooperation.

Was sind Beispiele für die Süd-Süd-Kooperation?

Vor einigen Jahren hat Kenia eine Dezentralisierung des Staatswesens beschlossen. 2017 reiste eine hochrangige Delegation aus Kenia nach Indonesien, um zu lernen, wie trotz der Dezentralisierung die Nahrungsmittelsicherheit gewährleistet werden kann. Da Indonesien auch erst seit 1998 dezentralisiert ist – davor war es ein Zentralstaat –, konnte Kenia von den Erfahrungen Indonesiens lernen. Hier hatte man sich bewusst entschieden, nicht nach Europa oder die USA zu reisen, sondern die Erfahrungswerte eines Staates zu nutzen, der erst vor kurzem dieselbe Wandlung durchlaufen und eine ähnliche Ausgangslage hatte.

Das heißt aber nicht, dass die westliche Welt aus der Süd-Süd-Kooperation ausgeschlossen ist. Man spricht heute oft von trilateralen Projekten. Das heißt, die westlichen Entwicklungshilfegeber versuchen, sich ebenfalls im Rahmen der Süd-Süd-Kooperation zu beteiligen – zum Beispiel, indem sie sich als Vermittler zwischen zwei Staaten des Südens positionieren.

Welche Vorteile bringt die Süd-Süd-Kooperation?

Grundsätzlich geht es bei der Süd-Süd-Kooperation wie bei der klassischen Entwicklungshilfe auch um die „Hilfe zur Selbsthilfe“.  Aber da die Ausgangslagen der kooperierenden Staaten ähnlich sind, wird diese Hilfe möglicherweise als weniger arrogant wahrgenommen, als wenn diese Initiativen aus den Ländern des Westens kämen. Die Süd-Süd-Kooperation bietet die Möglichkeit zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe. So soll zudem die Vormacht der westlichen Länder in der Entwicklungshilfe durchbrochen werden: Der globale Süden möchte sich selber helfen und hat ebenso Wissen, Expertise und finanzielle Mittel, die geteilt werden können.

Europa, die USA und auch Australien machen zudem sehr enge Vorgaben, an die die Entwicklungszusammenarbeit gekoppelt ist, wie zum Beispiel die Einhaltung von Menschenrechten. Staaten wie China, die selbst nicht gerade eine weiße Weste haben, richten ihre Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe eher an wirtschaftlichen Faktoren aus. Vielen Staaten ist das ganz lieb, wenn sie Gelder auch aus anderen Töpfen bekommen, an die – aus ihrer Sicht – weniger problematische Bedingungen geknüpft sind.

Doch auch bei der Süd-Süd-Kooperation kommen Eigeninteressen stärker zum Vorschein, vor allem, da man sie heutzutage oft auch als Finanz- und Handelskooperation versteht. Das Projekt „Neue Seidenstraße“ Chinas ist da ein gutes Beispiel – schließlich macht China das Projekt nicht aus Gutmütigkeit. Wissenschaftler aus dem Westen kritisieren dort die Eigeninteressen des Landes und weisen darauf hin, dass auch China harte Bedingungen stellt. Nur sind das eben wirtschaftliche und geostrategische statt werteorientierter Bedingungen.

 

Zur Person

Dr. Kathrin Rucktäschel hat in der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Corvinus Universität Budapest Politikwissenschaft, Medienwissenschaft und Neuere Geschichte studiert und 2015 an der TU Dortmund promoviert. Seit 2009 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie und Politikwissenschaft an der TU Dortmund mit den Forschungsschwerpunkten Indonesien und Südostasien. Seit April 2019 ist sie außerdem Projektkoordinatorin für das von RuhrFutur geförderte Projekt „Akademische Integration und wissenschaftlich Denken und Agieren“ in der Zentralen Studienberatung der TU Dortmund.