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50 Jahre – 50 Köpfe: Drei Fragen an Wubalem Fekade, einen der ersten SPRING-Alumni

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Portrait Wubalem Fekade © Privat​/​Wubalem Fekade
Wubalem Fekade denkt gerne an seine Studienzeit an der TU Dortmund zurück

Im September 1986 kam Wubalem Fekade von Äthiopien nach Dortmund, um den neu etablierten Master Spatial Planning for Regions in Growing Economies (SPRING) der Fakultät Raumplanung zu beginnen. Das erste Jahr dieses Masterprogramms verbringen die Studierenden an der TU Dortmund, das zweite Studienjahr an einer der Partneruniversitäten in Ghana, Tansania, Chile oder auf den Philippinen. Seit über elf Jahren arbeitet Wubalem Fekade inzwischen für die Nile Basin Initiative (NBI), eine zwischenstaatliche Organisation der zehn Anrainerstaaten des Nils.

Herr Fekade, warum haben Sie sich damals für SPRING entschieden?

In Äthiopien habe ich Landwirtschaft und Agrarökonomie studiert und dabei viel über die Probleme des Landwirtschaftssektors und die Armut der einheimischen Landbevölkerung erfahren. Beeinflusst durch meinen Vater und die Studentenbewegung, habe ich mich außerdem für die Themen regionale Ungleichheit und die Unterentwicklung Äthiopiens interessiert. Auf der Suche nach einer Universität für mein Masterstudium bin ich 1986 auf das neugegründete SPRING Programm gestoßen. Ein Freund, der bereits beim ersten Jahrgang dabei war, hatte es mir empfohlen. Die Geschichte von mir und SPRING ist eine bereichernde und bis heute anhaltende Verbindung – mit einigen Professoren und Bekannten von SPRING stehe ich immer noch in Kontakt.
 

Wie haben Sie die Zeit in Deutschland und an der TU Dortmund erlebt?

Mein Aufenthalt in Deutschland und an der TU Dortmund war sehr bereichernd. Der modulare Aufbau des SPRING Masters passte zu meinem Streben nach akademischer Freiheit und unabhängigem Denken. Die Professorinnen und Professoren waren immer erreichbar und haben uns sehr unterstützt. Sie haben uns angeleitet und betreut, ohne unsere Kreativität und Neugier einzuschränken. Während meiner Zeit in Deutschland habe ich sowohl auf Uni-Exkursionen als auch privat viele Orte kennengelernt. Ich habe dabei viel durch Beobachtungen gelernt – eine Methodik, die ich ein Leben lang genutzt habe. Im Gegensatz zu einigen Bekannten habe ich in Deutschland nie eine Situation erlebt, in der ich mich unwohl gefühlt habe. Auch hatte ich keinerlei negative Begegnung mit Deutschen. So sehr ich mich auch bemühe – mir fällt nichts dergleichen ein, sodass ich schon befürchte, als übermäßig „germanophil“ rüberzukommen. Ich habe während meiner Zeit in Deutschland viele Freundschaften geschlossen, die inzwischen seit über 35 Jahren bestehen.
 

Inwiefern profitieren Sie bei Ihrer heutigen Arbeit für die NBI vom SPRING Master?

Ziel der NBI ist es, die Anrainerstaaten des Nils zusammenzubringen, um gemeinsam die Potenziale des Flusses zu nutzen. Wir arbeiten daran, die gemeinsame sozio-ökonomische Entwicklung zu fördern, Armut zu bekämpfen, die fortschreitende Umweltzerstörung zu stoppen beziehungsweise umzukehren und ein kooperatives, grenzüberschreitendes System aufzubauen, um das Wasser zu „verwalten“. Wir bemühen uns, die Nachhaltigkeit des Nils und dessen Ökosystems zu gewährleisten und eine gemeinsame Institution der Anrainerstaaten zu schaffen, die das negative Erbe des Kolonialismus überwindet. Kurz gesagt, wir möchten in der Region Frieden und Sicherheit schaffen, indem wir Konflikte um das Wasser vermeiden. Meine Arbeit hat viel mit Raumplanung zu tun, da die NBI bestrebt ist, den Nil sowohl im räumlichen als auch im hydrologischen Sinne als eine Einheit zu verwalten. Schließlich erkennt der Nil die künstlichen politischen Grenzen nicht an, sodass das, was am oberen Flusslauf passiert, sich auch auf den unteren Flusslauf auswirkt – und umgekehrt. Genau wegen dieser gegenseitigen Abhängigkeit müssen wir die notwendige Entwicklung der Anrainerstaaten mit den Interessengruppen innerhalb der Länder in Einklang bringen, die nach Zugang zu dem begrenzten Nilwasser streben. Wir sehen es als unsere Verantwortung, quasi die „Vormundschaft“ zu übernehmen, um den Nil und das von ihm abhängige Lebenssystem zu schützen und zu bewahren. Also ja, die Einblicke, die ich während des SPRING Masters in die Raumplanung erhalten habe, haben sich in meinem Job als sehr nützlich erwiesen.


Zur Person:

Wubalem Fekade (62) hat seinen Abschluss an der University of Science and Technology (heute Kwame Nkrumah University) in Kumasi/Ghana gemacht, wo er das zweite Studienjahr seinen SPRING Masters verbracht hat. Aufgrund von früheren politischen Aktivitäten konnte er nicht in sein Heimatland Äthiopien zurückkehren und musste die Feldforschung für seinen Doktor daher in Tansania durchführen. Anschließend zog er in die USA und arbeitete am Center for International Development and Conflict Management der University of Maryland.  Nach verschiedenen weiteren Stationen – unter anderem arbeitete er gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Dr. Johannes Lückenkötter von der TU Dortmund in einem hochschulübergreifenden Forschungskonsortium der EU – kam Wubalem Fekade zur Nile Basin Initiative. Heute leitet er die Abteilung Soziale Entwicklung und Kommunikation im Regionalbüro der NBI in Addis Abeba.